Bereicht zum Wintertreffen 1997

4. - 6. Januar auf Schloß Augustusburg

Nix is' mit Winterschlaf: Die Alper sind auch in der weißen Jahreszeit aktiv. Wohlgemerkt nur die Alper nicht die Alps! Von den 26 Teilnehmern des 97er Wintertreffens auf Schloß Augustusburg waren nur 2 unverzagte zur Open-Air-Anreise zu bewegen - im MZ-Gespann - aber dazu später.Der überwiegend Teil war bereits am Freitagabend angereist und konnte das überreichliche Buffet der Jugendherberge genießen. Wer da nicht satt wurde, war selbst schuld. Auch die Biervorräte ließen sich - im Gegensatz zum Hochprozentigen - nicht so leicht erschüttern.

Befreit von den Zwängen motorradlicher Ladekapazität zog Michael Ullrich dann die Klampfe aus dem Koffer, verteilte die Rhytmusinstrumente in der begeisterten Masse und ab ging die Post. Damit uns künftig bei den Moppedtreffen ähnliche Abendunterhaltung garantiert ist, arbeitet er zur Zeit an der Umsetzung von Gitarre auf Ukulele. Auch das mit Erfolg, wie er bewies. Als dann gegen zwei Uhr früh das "last order" des Nachtschichtzivis ertönte, wurde die letzte Runde genossen und sich in die Betten verkrümelt.

Nach dem Frühstück - bei dem einem der ein oder andere Brotbelag von Vorabend bekannt vorkam - entschied sich die eine Hälfte für einen Ausflug in die Spielzeug- und Holzschnitzerstadt Seiffen. Da die Straßen einigermaßen geräumt und Busse und Bahnen alles andere als sauber vertaktet waren, entschieden sich alle für den Einsatz des eigenen PKW. Der Rest der Mannschaft verlustierte sich in der Augustusburg.

Höhepunkt des Interesses war natürlich das Motorradmuseum, das sozusagen Tür an Tür mit der Jugendherberge liegt. Die Sammlung, die als eine der bedeutendesten Europas gilt, verfügt über wirklich wunderschöne und ausgefallene Exponate. Klar auch, das die heimischen Marken die Mehrheit hatten - in Sachsen waren anfangs des Jahrhunderts immerhin ein gutes Dutzend Motorradhersteller ansässig. Am bekanntesten sicher noch DKW und MZ, denen auch ein Sonderteil der Austellung gewidmet war.Aber auch der Rest der Welt war gut vertreten: BMW Einzylinder und -Boxer, die Großväter von F650 und R-Baureihe sowie untergegangene deutsche Marken wie Imperial, Adler und Schütthoff. Dazu die unvermeidlichen Harleys, Nortons, BSAs allerdings keine Italiener. Eigenlich wollten wir schon gegen halb elf mit dem Museum durch sein, um dann an der Schloßführung teilnehmen zu können. War nicht - zu interessant. Na gut, um halb 12 gibt's ja auch noch eine.

Aber halt: was steht denn da in der Ecke? Sega HangOn, der Erlös dient zur Anschaffung weiterer Exponate - also auch noch für'n guten Zweck. Die halb 12 Führung muß leider ohne uns stattfinden: erst wird noch etwas Moppedgefahren! Es zeigt sich mal wieder, dass die Alper doch eher Off-Roader sind, die Ausritte in den Grünstreifen nehmen kein Ende. Zur halb eins Führung kommt uns der Hunger in die Quere, so daß erstmal der Augustinerkeller inspiziert wird. Nettes Ambiete, das Essen ist prima und das dunkle Augustiner richtig was zum Abbeißen. Wäre die Bedienung etwas fixer - wir hätten es glatt zur Führung um halb zwei geschafft. So bleibt noch Zeit für einen Kaffee und gegen halb drei schaffen wir es endlich die Besichtigungstour zu starten. Zum alten Brunnenhaus mit dem tief in den Fels getriebenen Brunnen, z.B. Ganze 4 cm pro Tag sind die Jungs damals mit Hammer und Meißel vorwärts gekommen und das Teil ist immerhin 130 m tief! Auch die Kapelle mit dem Kranach-Altar und der tollen Orgel sind beeindruckend.

Noch etwas ruhen, bevor der Rest wieder aus Seiffen zurück ist und es zum Ritteressen ins Gewölbe der Jugendherberge geht. Zünftig wird's - und lang. Und ein solch fettes, schwerverdauliches Essen verlangt nach einem kräftigen Schnaps - oder auch zwei oder drei, um den Magen zu beruhigen. Dazu schmutzige Lieder zur Laute - erst aus der Konserve und dann holt Michael live zum Gegenschlag aus. Wie am Vorabend ein Riesenhallo, vor allem, als mittelalterliche Klänge von des "Pfaffen Arschgesicht" ertönen. Ich für meinen Teil war anderen Tags vom mitgrölen arg war in der Kehle angegriffen (oder war's doch der Bommi?).

Wer von Museen am Samstag nicht genug bekommen hat, findet den Weg zum Jagd- und Vogelkundemuseum oder ins Kutschenmuseum. Eine Großteil mag aber heute die Rodelbahn erkunden. Am Ortsrand vom Dorf Augustusburg geht's 1300 m durch den Wald bis runter in den Nachbarort Erdmannsdorf. Leider mitten durch den Wald, wo die Bahn durch das Laub an einigen Stellen ziemlich lahm ist. Dafür geht's vor allem an den Drainagerohren im Waldweg richtig zur Sache: alles anschnallen, wir heben ab! Das beste an der Bahn ist der Aufstieg: Einfach in die Talstation der Zugseilbahn und nach knapp 10 Minuten Fahrt bis Augustusburg kann der Spaß von vorn losgehn. So irgendwann gegen zwei mag aber keiner mehr so richtig und der Ruf nach was warmen wird immer lauter. Also den Einkehrschwung angesetzt und auf den anderen Seite den Berg runter ins Cafe zu Apfelstrudel mit Vanilleeis und 'ner schönen Tasse heißer Schokolade. Bloß kein schweres Mittagsmenu mehr, schließlich hat der Wirt vom Landsknecht extra heute seinen freien Tag sausen lassen um für uns ordentlich aufzukochen. Und das was die Vorkost-Tour im November versprochen hatten, konnte der Landsknechtwirt auch diesmal wieder halten. Irgendwie hatten wir von Anfang an bei ihm ein gutes Gefühl: ein Wirt von solch stattlichem Maß, der dann mit Nachnamen noch Hunger heißt, da muß die Küche stimmen!

Da sich über den Tag verteilt die Mannschaft schon fast halbiert hat - der Drei Königstag ist nicht für alle Feiertag - und wir vom Vortag noch etwas angeschlagen sind, wird die Nacht nicht ganz so lang. Außerdem haben wir am Montagmorgen schon um 9:00 Uhr einen Termin bei MuZ. Deshalb früh aufgestanden, gut aber fix gefrühstückt, denn wir haben auch noch einen Stück Weg bis Zschopau. Wir werden schon am Werkstor erwartet. Martin Kleinmann, der Pressesprecher von MuZ begrüßt uns sehr herzlich und ist natürlich vollends angetan, als am Ende der Autoschlange Ralf und Thoralf mit dem Emme-Gespann einbiegen. Quer durch das Großraumbüro geht's erstmal auf einen Kaffee ins Konferenzzimmer, wo es einen kurzen Abriß über die aktuelle Geschichte der MuZ gibt. Das auf und ab nach der Wende gipfelte zuletzt in der Übernahme durch den malysischen Konzern Hong Leong zur Jahresmitte 96. Seitdem geht im Werk wieder richtig die Post ab. Innerhalb kürzester Zeit wurde zur Skorpion-Baureihe noch eine Hardenduro und ein Funbike entwickelt, die ebenfalls auf dem bekannten 660er Ténéré-Motor von Yamaha basieren.

Beim Werksrundgang wird dann auch kurz die Tür zum Allerheiligsten - der Entwicklungsabteilung - aufgemacht und der Erlkönig der Enduro, noch mit KTM-Plastik getarnt, in die Montagehalle gerollt. Insgesamt 4 Maschinen, je 2 Enduros und Funbikes, werden jetzt bei Wind und Wetter durch die Lande getrieben, um die Fahrwerksabstimmung hinzubekommen, nächsten Monat kommt die Motorabstimmung in Calafat dazu. Die Ergebenisse, so Martin Kleinmann, sind absolut zufriedenstellend - immerhin hat eine dieser Vorserienmaschinen beim Endurorennen rund um Zschopau auf Anhieb den 7. Platz belegt! Und die Preise von ca. 11.000 DM für die Enduro und rund einen Tausender mehr für das Funbike sind ebenfalls Werte, die einen Markterfolg eigentlich sichern sollten - wäre da nicht das alte DDR-Image mit dem die Marke (übrigens völlig zu unrecht) immer noch kämpft. Aus alten Zeiten ist lediglich die 125er Zweitakter übrig geblieben (der 125er Viertakter namens Bantam steht aber schon in den Startlöchern) und das "Wendekind" die Silver Star Classic verkauft sich als 350er und 500er im Motorradland Japan prächtig.

Abolut überzeugen kann auch die Kundenorientierung im Werk: Jeder Maschine wird die Visitenkarte des Mannes an der Endkontrolle mitgeliefert. Gibt's ein Problem kann der sofort im Werk angerufen werden. Mehr noch: über die Fahrgestellnummer können sogar die beiden Mechaniker ausfindig gemacht werden, die das Bike zusammengeschraubt haben. Denen kann man im Fall der Fälle halt mal die Meinung sagen! Um diesen Fall zu vermeiden wird von vornherein Wert auf Qualitätsarbeit gelegt. Die Rahmen werden von einem modernen Schweißrobotor gefertigt, viel präziser als es von Hand möglich ist. Komplettiert um Motor und Schwinge kommt dann das MuZ-Baukastenprinzip zum Tragen, das ebenso einfach wie logisch und genial ist: Aus dem Grundmodell können alle Varianten erzeugt werden: Die Tour, die Sport, die Replika, ... und mehr noch: der Kunde kann sich sein individuelles Motorrad aus diesem Baukasten zusammensetzen lassen: "Die hochgezogene Auspuffanlage der Replika, aber das Heck mit der Doppelsitzbank und bitte die Vollverkleidung, nein nicht die von der Tour, die ganz große von Pichler, die ihr an den Polizeimotorrädern verbaut, dazu die gute Paoli Upside-Down Gabel. Und das ganze in der gleichen Farbe wie mein Auto." Kein Problem für die Mannen von MuZ. Jede (RAL-)Farbe ist lieferbar, für einen lächerlichen Aufpreis. Nicht wie bei der Konkurrenz, wo nur die drei oder vier Farben, die der Chefdesigner für sehenswert hält, geordert werden können! Und obendrein spart dieser Baukasten eine Menge Lagerkosten.

Vorläufig eingestellt wurde das Projekt Cobra mit dem 850 TDM-Motor. Vorläufig deshalb, weil mit dem malysischen Geld genügend Kapazität für die Entwicklung eines eigenen großen 2-Zylinders bereitsteht. Ob 850, 900 oder sogar 1.000 ccm rauskommen steht noch nicht fest, auch nicht ob V, Boxer oder Twin (zumindest wollte uns Martin Kleinmann noch nichts verraten). Fest steht allerdings, das der Motor wieder wie beim 660er Eintopf Verwendung in einer ganzen Palette finden wird - unter anderem auch in einer Reiseenduro! Also, liebe MuZ-Ingenieure: Wenn es euch gelingen sollte, einen 850er oder 900er Motor mit sagen wir 70 - 80 PS, am liebsten natürlich in V-Form, in einer Enduro unterzubringen, die nicht mehr als 200 kg wiegt und ähnlich tolle Formen bekommt, wie die Zeichnungen der aktuellen Enduro vermuten lassen und das ganze für nicht mehr als - sagen wir - 15.000 DM und ansonsten einfach die Alp kopiert, dann könnte ich glatt schwach werden. Die Kiste würde sich genau im Dreieck zwischen AffenTwin, Tiger und GS bewegen. Mehr Leistung als die Honda, weniger Gewicht als die Triumph und billiger als die BMW, dazu die Zuverlässigkeit und universelle Einsetzbarkeit der Transalp - eine geniale Kombination. Her damit!