Bericht zum Herbsttreffen 1998

1. - 30. Septemberin der Sächsischen Schweiz

Meine erste Transalp-Tour

Einmal ist immer das erstemal, und bei mir war es das Transalp-Herbstreffen ’98 in Bad Schandau (Sächsische Schweiz). Natürlich bin ich schon vorher mit meiner Transalp ausgefahren, seit ich sie im November letzten Jahres, kurz nach meinem Motorradführerschein gebraucht (und gut eingefahren) gekauft hatte. Aber meistens alleine für ein gutes Stündlein in der näheren Umgung (Landkreis München und Ebersberg), manchmal auch mit Begleitung (Chopper waren dabei, einmal immerhin eine BMW Boxer). Beim Münchner Transalp-Stammtisch war ich auch schon ein paar mal Gast, aber bei einem Bierchen von grandiosen Alpentouren vorgeschwärmt zu bekommen (komme ich da mit meinen 34 PS überhaupt hoch?) ist das eine, die Praxis mit anderen Transalpinisten das (für mich bis dahin noch unbekannte) andere.

Am Freitag Mittag ging’s los. Treffpunkt war ein Autobahn-Rastplatz im Münchner Norden. Ich wartete auf Lars&Susanne vom Münchner Stammtisch. Natürlich war ich zu früh. Die Sonne schien. Mir wurde heiß in meiner Textiljacke, in der ich das Winterfutter wieder eingesetzt hatte. Die Sehnsucht nach kühlendem Fahrtwind stieg spürbar an, als ich zwei weiße Helme auf einem grünlichen Zweirad einfahren sah. Es war eine Transalp. Es wurde beschlossen: Ich fahre voraus (Richtung Regensburg), und ab Hof (Autobahnende) schau’n wir uns nach was Eßbarem um. Also Helm auf und gleich weiter - haaaalt: Vor Beginn einer Autobahnfahrt setzen wir a) (in diesem Fall gelbe) Ohrenstöpsel ein und b) überzeugen uns vom ordnungsgemäßen Zustand der Gegensprechanlage mit der Sozia (falls vorhanden). Während ich diese Zeile gerade schreibe, fällt mir auf, daß Ohrenstöpsel und Gegensprechanlage möglicherweise nicht optimal harmonieren: Muß man dann besonders laut schreien, wenn man sich während der Fahrt mitteilen will: "Du Schatzi, der Hauptständer setzt in den Kurven immer so hart auf!"? Diese Sorgen habe ich jedenfalls nicht (ich habe keinen Hauptständer). Es lagen also ein paar Hundert Kilometer Autobahnfahrt vor uns - also nicht besonders aufregend. Eigentlich so unaufregend, daß der Transalp-Profi sein Teil auf einen Hänger wuchtet und gemütlich mit seinem Golf lostuckert. (Autoradio und ein Dach über dem Kopf haben eben was für sich.) Trotzdem: Für den Nur-Automobilisten sei mir erlaubt, ein paar Sätze über das Fahren eines gedrosselten Motorrads (es sind immer noch 34 PS) auf einer Autobahn zu verlieren. Es ist zunächst laut, und es wird noch lauter, wenn man schneller fährt. So etwas wie Beschleunigung findet maximal bis ca. 130 km/h statt - mein zusätzlich montierter digitaler Fahrradtacho läßt hier keinen Zweifel. Bei diesen Geschwindigkeiten ist man Dauergast auf der ganz rechten Spur, die wenigen Überholvorgänge von Lastern und verirrten Traktoren sind vernachlässigbar. Bergab, bei Rückenwind und wenn man sich flach auf den Tank preßt, geht’s etwas schneller. Der Trick, sich hinter die winzige Windschutzscheibe der Transalp zu ducken, funktioniert freilich nur dann, wenn man keinen Tankrucksack aufgeschnallt hat. Sonst zeigt man zwangsläufig dem Wind mannhaft die Stirn - der Cw-Wert dürfte in den Regionen einer rückwärtsfahrenden Kehrmaschine liegen. In (fast) ähnlichen Höhen bewegt sich der Spritverbrauch. In Ermangelung eines 6ten Ganges beginnt sich nämlich schon wenig über der Autobahnrichtgeschwindigkeit die Zeigerfarbe des Drehzalmessers (Orange) dem zugrundeliegenden Ziffernblatt am Ende der Skala anzugleichen. Bei dem winzigen "Tank" (angeblich 18 Liter laut Betriebsanleitung) wollen deshalb Tankstopps exakt geplant sein (Dafür fällt dann die Rechnung beim Volltanken nicht so hoch aus). Fängt der Motor während der Fahrt plötzlich das Stottern an, weiß man zumindest bei der Transalp (die Zuverlässigkeit des Motors ist zum Glück über jeden Zweifel erhaben), daß der Sprit im Haupttank alle sein muß. Dann heißt es, in voller Fahrt nach dem Benzinhahn zu fingern. Ein gutes hat das ganze freilich: Es gibt keinen Ärger über ungenaue Tankanzeigen!

Wie gesagt, der Motorradfahrer im allgemeinen und der Tranalpinist im besonderen liebt das Autobahnfahren nicht besonders. Was er noch weniger mag: Autobahnfahren im Stau. Davon wußte Christian aus Hessen, den wir kurz vor Dresden eingesammelt haben, eine ganze Menge zu berichten. Auch er er war auf dem Weg zum Transalptreffen. Für seine bis dato erzielte Durchschnittsgeschwindigkeit hätte es auch ein Tretroller getan, wollte man seinen drastischen Schilderungen Glauben schenken. Letzte Zweifel wurden allerdings zerstreut, als wir wieder vom Rastplatz in die Autobahn einfuhren: Stau. Ziehen bestimmte Leute das Unglück an? Wir beschlossen jedenfalls, bei der Gruppeneinteilung für die Ausfahrten am nächsten Tag nicht unbedingt Christians Nähe zu suchen. (Ein weise Entscheidung: Als wir ihn am Samstag abend nach seinen Eindrücken befragten, fiel ihm im wesentlich nur endlose Staukolonnen - diesmal auf den Landstraßen - ein.)

Es war schon 8 Uhr abends, als wir endlich dank der Generalkarte von Lars, die noch jedes einzelne Busunterstellhäuschen verzeichnete, am besagten Campingplatz in Bad Schandau ankamen. Motorradfahren und Campen - eine endlose Romanze. Ich bin bisweilen unromantisch und bewarb mich bei Sabrina, eine der Tour-OrganisatorInnen, um eines der knappen (und wie sich herausstellte: heißbegehrten) Zimmer. Vom Balkon eben dieser Zimmer hatte man einen ausgezeichneten Überblick auf die Zeltstadt. Von dort aus konnte man gut beobachten, daß es oft gerade die einfachen Dinge im Leben sind, die erfreuen: Zum Beispiel eine warme Dusche, für die man morgens in Badeschlappen den Weg vom Zeltplatz über Pfützen und aufgeweichten Rasen (es hatte geregnet) in die gemeinschaftlichen Sanitäranlagen zu überwinden hatte.

Der nächste Tag (Samstag) verlangte schon früh am Morgen (nach einem reichhaltigem Frühstücksbuffet) letztgültig jedem die Entscheidung ab, deretwegen er/sie überhaupt in die Sächsische Schweiz kam: Wandern (ökologisch korrekt) oder Ausfahrt. Den wirklich souveränen Transalp-Fahrer erkannte man daran, daß er sich für’s Wandern entschied. Ich hatte noch Nochholbedarf und entschied mich für die (hoffentlich) risikolosere Fortbewegung (Das Kraxeln an glitschigen Felsüberhängen will geübt sein!). Zuvor wieß mich Lars aber noch in die Grundregeln des Gruppenfahrens ein: a) es wird leicht versetzt gefahren b) man beobachtet ständig im Rückspiegel, ob der Hintermann noch nachkommt und fährt gegebenenfalls langsamer und c) es wird nicht innerhalb der Gruppe überholt. Unsere Gruppe war schließlich die größte (13 Motorräder). Ein gewisser Steffen fuhr recht flott voraus (kein Wunder, er hatte keine Sozia), womit zumindest ein Teilnehmer mit einem Fremdfabrikat (der einzige ...) etwas zu kämpfen hatte. Es passierte dann auch das, was ich die ganze Zeit befürchtet hatte: Ich hatte mich zu sehr auf die Straße (wunderschön kurvig, wildromantische Felsen und kleine Täler) und nicht auf Regel b) konzentriert. Ich fuhr immer langsamer, kam zum Stillstand, aber weder schien sich mein Vordermann um Regel b) zu kümmern noch tauchte mein Hintermann im Rückspiegel auf. Ich beschloß, alleine weiterzufahren und den Rest der Gruppe einzuholen, was mir auch an der nächsten größeren Straßenkreuzung, wo der Rest der Gruppe wartete, gelang. Ich hatte also gelernt: Regel b) ist eine feine Sache, aber auch Motorradfahrer haben ihren Fahrhythmus, besonders wenn es in herrlich breiten Serpentinen (2-spuriger Ausbau!) bergauf geht. Der richtige Fahrrhythmus war es auch, der mich einmal zu einer dynamische Auslegung der Regel c) animierte (womit ich mir prompt hinterher eine strenge Bemerkung einer Sozia einhandelte). Insgesamt aber klappte der Ausritt mit einer so großen Gruppe erstaunlich gut. Die für’s Motoradfahren wie geschaffene Landschaft und Straßen taten ein übriges, damit dieser Ausflug bei allen Beteiligten in schöner Erinnerung blieb.

Abends fing es leicht zu regnen an, und wir rückten bei Sau am Spieß und Gitarrenmusik unter dem Scheunenvordach vor der Flößerstube näher zusammen. Volli aus Forchheim erfreute uns mit einem Diavortrag "Mit der Kuh 13 Monate im Vorderen Orient und Südostasien". Besonders beeindruckend war die bebilderte Schilderung, wie er mit Flüssigmetall (nein, es war keine Computersimulation aus Terminator II!) einen Zylinderkopf seines BMW-Boxermotors wieder anklebte, als er auf einem Kuhdreck (sic!) im Land der heiligen Kühe ausrutschte. Leider stellte die Flößerstube zu vorgerückter Stunde den Biernachschub ein, so daß auf mitgebrachte Bierdosen umgestiegen werden mußte. Als Quelle wurde der Beiwagen einer Transalp (der Umbau zog sich die Bewunderung aller Transalpinisten zu) verdächtigt, dessen Nutzlast auf jeden Fall nichtmenschlicher Natur war.

Der nächste (Abreise-)Tag empfing uns feucht - aber nicht fröhlich, so daß das Organisationskomitee beschloß, den Programmpunkt "Gruppenfoto" zu stornieren - die Daheimgebliebenen hätten wohl ob des grauen Himmels, der wirkungsvoll mit den bunten Regenkleidern kontrastierte, nicht den passenden Eindruck bekommen. Für die Heimreise hatte ich mir einen besonderen Nervenkitzel aufgespart: Mit 3 Monate abgelaufenem TÜV (hatte der Verkäufer nicht gesagt, er sei "Ende des Jahres" fällig?) , ohne Grüner Versicherungskarte und ohne D-Schild schloß ich mich einer Gruppe von 3 Transalps an, die sich auf den Weg über Tschechien nach München machte. Das Problem mit dem fehlendem D-Schild ließ sich noch während eines Tankstellen-Stopps in Bad Schandau durch eine Investition von DM 1,-- lösen. Ansonsten hieß es für mich "No Risk, No Fun". Aber weder bei der Ein- noch bei der Ausreise wurden wir kontrolliert. Wir haben halt einen furchtbar seriösen Eindrück gemacht! Die Fahrt über Pilsen und Bayrisch Eisenstein war noch einmal ein besonderer Höhepunkt: Wunderschöne, abwechslungsreich-hügelige Landschaft auf wenig befahrenen Straßen - leider zwang uns das knappe Zeitbudget, auf Zwischenhalte weitgehend zu verzichten. Ein Lektion, die ich dabei lernte: Ziehe nicht gleich beim ersten blauen Fleck am Himmel den Regenkombi aus: Der nächste Schauer kommt bestimmt. (Umgekehrt gilt freilich: Wer sich gleich zu Fahrtbeginn regenfest macht, den näßt garantiert nicht ein Tröpfchen die Außenverkleidung ...)

Beim Halt in Deggendorf fürs Abendessen machte ich eine unangenehme Entdeckung: An beiden Regenüberschuhen (die ich auf dieser Tour zum allerersten Male angezogen hatte) klafften vorne riesige Schlitze - offensichtlich ein Materialfehler. Ich faßte den finsteren Entschluß, diesen labbrigen Gummimüll meinem Motorradhändler auf die Theke zu kippen - allein es blieb bis dato bei dieser Vorstellung. Den anderen Entschluß, endlich zum TÜV zu fahren, hielt ich aber zwei Tage später ein. Es regnete. Weitere zwei Tage später puhlte ich das nur noch matt feuchte Zeitungspapier aus meinen Lederwanderschuhen. Der nächsten Fahrt steht nichts mehr im Wege!