Die neue Zeitrechnung nach TRANSALP

Begonnen hatte alles am 1.1. im Jahre TRANSALP. Genaugenommen war es am Dienstag nach Ostern dem 6. April 1999 gregorianischer Zeitrechnung. Durch meine Frau Christel hatte ich erfahren, daß einer ihrer Bekannten ,Ahnung‘ hat, sich auskennt, selber fährt, schraubt und ich mich wohl auf eine Vermittlung verlassen könne. Klasse! Also holte ich am ober erwähnten Tag die grüne, ‘95er, 16524 km gelaufene TRANSALP vom Bekannten ab. Der leicht Niesel und die schmierige Straße erhöhte nicht direkt meinen Mut, nach der Bezahlung von 6.600 Märkern, mit dem 200 kg schweren Monstrum von Waltrop durch die Straßen ach Dortmund zu eiern. Wie sollte ich das Ding bloß jemals in den Griff kriegen? Wie kam ich bloß auf die Idee motorradfahren zu wollen?

Was bisher geschah... Völlig entspannt erblickte ich 1955 (also ca. 44 Jahre vor TRANSALP) das Licht der Welt in Dortmund. Bis 1993 passierten lediglich einige, allgemein nicht interessante, interne Pikanterien. Außer, daß alle meine Kumpels ab dem 16. Lebensjahr Kreidler oder Zündapp nicht nur kennenlernten sondern auch fuhren. Laut Aussage meiner Eltern war das jedoch in unserer Familie väterlicherseits nicht üblich. Ich BRAUCHTE also nicht moppedfahren (:-. Obwohl immer wieder beteuernd, mit dem Zustand der Ausnahme in der Familie leben zu können – die Antwort war - NEIN. Jahrelange Trauer gepaart mit familieneigener Trotzköpfigkeit beseelte mein Herz und so beschloß ich, meinen Kumpels als Sozius auf den Wecker zu gehen. Tapfere Jungs waren das damals. Nahmen mich auf jedes Treffen und jeden Teilemarkt mit. Einige, davon Karl Rebuschat in Gelsenkirchen, leben immer noch fast unverändert.

Vielleicht begann ich deshalb, mich irgendwann für’s Kajakfahren zu interessieren (als thirty-niner). Erst nur Zahmwasser mit Christel, dann leicht bewegtes Wasser selten mit Christel, dann Wildwasser 1 mal mit Christel und schließlich deftig Wildwasserurlaub ohne Christel. Der ,neue‘ Virus war da. Jahrelang ging das gut. Jedes Jahr ein paar Wochen paddeln in Österreich und die Welt dreht sich in der richtigen Richtung. Bis die ersten 125er erfunden und für Klasse III Inhaber ,fahrbar‘ wurden. Da war er Essig mit dem Paddelvirus. Der Urvirus war wieder da. Und wie.

In jedem Urlaub wurde ein Roller oder Chopper für kurze Zeit ausgeliehen und der Chronist wurde, zumindest innerlich; zum Outlaw. Mit der Frau als Sozia. Der Durchbruch kam in Italien. Hier darf jede(r) (so hörten wir im AVIS-Autoverleih) mit FS. Kl. III, vor einem bestimmten Jahr erworben, Zweiräder mit beliebiger Motorleistung fahren. Yiiehaaaaa Eldorado. Eine Yamaha SR250 mit, ich weiß nicht wieviel PS; muß für 1 Tag her. Wie geht’s noch gleich? Linker Fuß – Schaltgestänge. 1. Gang unten, Leerlauf drüber, weiter oben die anderen Gänge. Rechter Fuß – Hinterradbremse, linke Hand Kupplung, rechte Hand Vorderradbremse. Das weiß ich noch vom Hörensagen und andere können das ja auch. Den Rest kriegen wir schon. Dann endlich: Django is on the Road. Ein wahrhaft ausschlaggebendes und nachhaltiges Erlebnis. Wieder Zuhause wollte ich dann unbedingt eine 125er kaufen. Bloß gleich losfahren. Ein paarmal eines ausgeliehen und alle Händler in Dortmund genervt. Aber mit zwei Leuten zieht Dir so ein Ding nicht mal die Unterwäsche aus. Also sprach die Frau: Mach‘ jetzt endlich die Fleppe, damit Ruhe ist! So geschehen im Jahre 1 vor TRANSALP.

Als ich irgendwann tatsächlich in der Fahrschule saß, konnte ich es kaum glauben. Doch das Werk gelang. Am 15. März 1999 – 21 Tage vor TRANSALP – von amtlicher Seite ohne Durchfall bestätigt. Er darf. Das war ein unglaubliches Gefühl nach den entbehrungsreichen Jugendjahren. Nachdem bereits ein halbes Jahr vorher auf jeder Motorrradausstellung zwischen Dortmund und Münster eine Person gesichtet wurde, die sich stundenlang auf den Polstern diverser Zweiräder herumtrieb und Sitzproben nahm war klar, daß die neue Zeitrechnung TRANSALP eingeläutet werden wird. Nach den ersten vorsichtigen Fahrten sucht ich im Web nach TRANSALP. Und bei meinem ersten ‘richtigen‘ Treffen, dem 7. Int. TRANSALPtreffen in Tienhoven-NL wurde mir klar, ich bin nicht allein im Zeitalter TRANSALP.

Hier traf 1. ich sofort ein paar nette Leute und 2. mich die Erkenntnis, daß Motorradfahrer nicht unbedingt verrückt sein müssen aber das es manchmal doch ganz schön ist. Hier hörte ich auch vom zentralen TRANSALPtreffen im Harz. Na prima. Vorher war noch eine Woche paddeln in Waidring, Tirol angesagt. Danach schnell den Wohnwagen zuhause abgestellt, das Boot im Vereinshaus ins Regal geworfen kurz übernachtet und das Mopped gepackt. Am 29. Mai – 53 Tage nach TRANSALP – ging es los. Ein kleiner Umweg war noch eingeplant. 1.Tag. Über die A45 bis Remscheid, danach über die Dörfer bis nach Koblenz. Weiter nach Cochem und bei unserem bevorzugten Weindealer in Briedern ein paar Fläschchen Rebensaft geordert und Quartier gesucht. Nette Pension mit Garage zum Unterstellen fürs Mopped und Frühstück.

2.Tag. So’n Sch...! Eigentlich wollte ich die Mosel ganz runterfahren bis TrabenTrarbach. Leider ist aber am Sonntag ,Happy Mosel‘ auf beiden Seiten und alle Straßen entlang derselben nur für Drahtesellenker frei. Also wieder hoch bis Koblenz und den Rhein entlang bis Rüdesheim bei strahlendstem Sonnenschein. By the way – daß ein einziger Mensch in einer einzigen Montur an einem einzigen Tag solche einzigartigen Mengen Wasser ausschwitzen kann, finde ich ziemlich erstaunlich. Weiter geht es dann über Wiesbaden in den Taunus. War ich nicht vor Hundert Jahren als Kind mit meinen Eltern im Posterholungsheim Oberreifenberg. Ganz in der Nähe des Feldbergs einem Motorradtreff wie ich mittlerweile hörte? Jetzt war ich ja auch einer von denen. Das lag natürlich genau auf meinem Weg. Also hin. Und wieder mal war’s Klasse. (Die letzte Aussage könnte auch sehr relativ ausgelegt werden. Denn wer ein Motorrad fährt auf dessen Weg in den Südharz die Mosel und der Taunus liegen, hat entweder noch nie etwas von Landkarten gehört oder ihm sind Begriffe wie ,Umweg‘ schlicht unbekannt. Anm.d. Chronisten)

Also weiter durch den Taunus geschwitzt und nach der “eben noch Geld vom Automaten holen” Nummer vorbei an der Saalburg, dem alten römischen Kastell. Schließlich endet die Fahrt nach ca. 7-9 Liter Schweißverlust in einem kleinen Gasthof in Fulda mit einer Hochzeitsgesellschaft und einem kleinen Hektoliter Hefezweizen für mich. 3.Tag. Auf dem Weg [;-))] nach Eisleben, denn in die Lutterstadt ziehts mich, liegen doch Goslar und Bad Harzburg. Goslar wegen der Schulabschlußfahrt der Realschule - 26 Jahre vor TRANSALP – und Bad Harzburg – (34? Jahre vor TRANSALP) weil ich da als Kind mal im Märchenwald war, wenn ich nicht gerade im Kurhaus Solbäder (EKEL...) verpaßt bekam. Manchmal kehren eben auch Opfer an den Ort der Malträtur zurück.

Nach dem ersten Abenteuer durch absoluten Hochnebel durch die Berge nach Goslar und der inneren Frage, warum das alles, komme ich mit Sichtweiten um die 20 m, im Nebel ohne Ortskenntnis Umschalten auf Reserve und einem Tempo zwischen 40-60 Km/h nach 2 Stunden lebend und ganz Held in Goslar an. Kleine Pause an einer Tankstelle. Benzin, Pullover und Kaffee fassen und weiter geht’s nach Bad Harzburg. Hier kann kann einem lonesome Biker der Fremdenverkehrsverein ein kleines Zimmer mit eigentlich unbeliegbarem Doppelbett besorgen. Der Geruch nach Kampfer oder Mottenkugeln erinnerte mich gleich an... Aber egal, draußen schien die Sonne und abends sagte ich höflicherweise nicht nein zu den von der Wirtin angebotenen Kuchenteilen. Sie waren ordentlich süß und korrespondierten optimal mit dem Geschmack der abendlichen Gerstenkaltschale (;-.

4.Tag. In einer Rundfahrt, Rundfahrt, Rundfahrt ging es von Bad Harzburg nach Eisleben in ein kleines, sehr preiswertes, richtig schön eingerichtetes Appartement. Gegend angucken im Südharz. Mein neuer Tankrucksack mit der Kartentasche war echt Klasse. Ich hatte ihn bereits während der letzten Tage schätzen gelernt, denn ich merkte jetzt immer gleich wenn ich irgendwo falsch abbog. Also meistens jedenfalls. Manchmal fuhr ich auch gleich richtig, es kam mir nur falsch vor und nach der Korrekturkehre standen plötzlich mit Sicherheit falsche Ortsschilder vor mir. Wie dem auch sei, angekommen bin ich immer. Manchmal bestimmt auch auf schöneren Umwegen als bei direktem Zieltreffer. Die Kurvenstrecke auf den Kyffhäuser brachte mich auch ganz schön auf Trab.

5.Tag. Eintreffen in der DJH Gorenzen und gleich darauf als neues Mitglied des TRANSALP-Club mein Zimmer beziehen, waren eins. Nach dem Gewitter des Vortages knallte wieder die Sonne vom Himmel und nach und nach trudelten immer mehr TRANSALPer ein. Auch einige bekannte Gesichter aus Holland waren darunter. Claudia, Jörg, Jürgen und Ralf (alphabetisch, nicht in der Reihenfolge des Kennenlernens)

6.Tag. Ausfahrt mit 10 TA’s. In Tienhoven hatte ich gelernt, daß die hinteren Plätze wegen des hohen Tempos etwas für Heizer sind. Also bugsierte ich mich auf Platz drei und entspannente bei der Tour die uns unter anderem auch auf den Hexentanzplatz führte. Nach dem Mittagessen in einem kleinen Dörfchen bastelten wir an einer liegenbegliebenen TA aus einer anderen Gruppe herum. Die Batterie wurde nicht mehr aufgeladen und das Ding sprang nicht mehr an. Also, anschieben und es konnte weitergehen. Ab hier wollte unser (Name vergessen) Vorfahrer nicht mehr vorfahren und sagte, er wolle nicht mehr vorfahren. Also setzte sich Ralf an den Anfang und weiter gings. Irgendwann verfuhren wir uns etwas und zufällig fragte ich nach dem Weg. Die vielen Baustellen, Umleitungen und Sperrungen sind auch zu einladend für Sonderexkursionen.

Plötzlich sagt Ralf neben mir, ich wüßte ja jetzt den Rückweg und könnte dann auch vorfahren!? Ich war froh, lebend um die engen Kurven zu kommen, auf der Harzhöhenstraße vom Wind nicht umgeblasen zu werden und auf Schotter keinen Adler zu machen. Jetzt sollte ICH nach Gorenzen vorfahren und alle waren hinter mir her. Aber welches Tempo? Nicht zu schnell und nicht zu langsam. Möglichst sofort den richtigen Weg finden, nicht zu oft umdrehen müssen und das alles auf einmal. Na, dann. Aber ich hatte die Rechnung ohne meine Kartentasche gemacht. In Topform zeigte sie mir genau den richtigen Weg und ist deshalb auch demnächst wieder mit von der Partie. Eine Kartentasche mit Zukunft.

7.Tag. Leider mußte ich vorzeitig nach Hause, da am Sonntag ein, bereits wg. TRANSALP verschobener, privater Termin anlag. Ich wollte von der alten B1 soweit östlich wie möglich in Richtung Dortmund brettern. Also wieder quer durch den Harz nach Goslar und erst mal in Richtung Hildesheim. Da wollte ich weitersehen. Aus einer Ahnung heraus hatte ich meine Regenhose angezogen. Oben verhüllte sowieso die wasserdichte Rukka-Jacke. Ungefähr 10 km vor Hildesheim wurde mir ein heimlicher Wunsch erfüllt. Ich mußte bei Regen fahren. Es fiel plötzlich badewannenweise Wasser aus dem Himmel. Etwa 1 _ Stunden gab ich nicht auf und fuhr erst langsam aber immer mehr an Sicherheit gewinnend durch den Regen. Mit einem Kajak am Mopped hätte ich kurz umsteigen und noch mehr Spaß haben können. Aber dieser Regen hat meiner Kurven- und sonstigen Selbstsicherheit ziemlich gut getan.

Als es mir zu dann doch zu bunt wurde, hielt ich an einer Dorfkneipe. Es stand ein Reisebus davor und die Leute saßen drin. "Normal ist heute geschlossen, aber wir haben sowieso den Bus. Küche? ist zu. Aber vielleicht wollen Sie Rahmgeschn..." JA, NEHM‘ ICH. Prompt hörte es auf zu regnen. Etwas Glück braucht der Mensch. Gut gestärkt und fast getrocknet könnte ich ja eigentlich noch von Hameln über Höxter an der Weser entlang und dann Hause. Liegt ja genau auf dem Weg zur B1. So war es denn auch. Jetzt über 8.000 (in Worten achttausend) km später und 2 Inspektionen nach Einläuten der Ära TRANSALP weiß ich, daß ich einen goldrichtigen Entschluß gefaßt habe.

Deshalb:

  • schönen Dank an meine Frau wg. mutmachen zum FS. KL. III.
  • schönen Dank an meine Frau wg. muthaben beim mitfahren.
  • und an meine Eltern. Denn was meine Kumpels schon hinter sich haben, habe ich noch vor mir!

Bis demnächst. Wir seh’n uns.