Stefans Bericht zur Maroc Challenge 2000

Angefangen hatte alles mit Carlo - der suchte den etwas anderen Winterurlaub und fand Marokko. Als dann auch noch Luigi und Brigitte vom Wüstenvirus infiziert waren sollte für den Jahrtausendwechsel noch eins draufgesetzt werden: Eine komplette Abordnung der Transalp-Freunde Deutschlands sollte sich zum Silvester 1999/2000 in den Dünen des Erg Chebbi wiederfinden. Klar doch, Ehrensache, das wir dabei sein mußten! Unsere Planungen wurden kurzzeitig etwas umgeworfen, als JFK unser Leben berreicherte. So wurde aus 2 Stückers Transalp einmal Pistenbulli, einmal Mopped.

Die Pre-Maroc Challenge

Die Anfahrt hielt schon die ersten Herausforderungen für uns bereit. Montags schon waren wir zum ersten Zwischenstopp bei meinen Eltern aufgebrochen. Bettina und JFK mit dem Pistenbulli, ich auf dem Mopped, da der uns zugesagte Hänger kurzfristig doch ausgefallen war. Nach ordentlich Schneetreiben im Hohenlohischen wurde die Alp dann auf der Raststätte Hockenheim geparkt. War zwar zum Einsammeln ein kleiner Umweg, aber was macht das schon bei 2.500 km Anfahrt? Ein Stau und eine Vollsperrung am Kreuz Frankenthal stellten unseren Zeitplan das erste Mal auf eine Probe. Als es gerade wieder vorwärts ging: Plattfuß hinten rechts! Von Horrorgeschichten über ruinierte Viscodosen beim Gebrauch des Ersatzrades erschreckt, wurde der Vorrat an Reifenpilot in die Hinterhand gepumpt, damit wir uns bis nach Frankenthal zur Tanke retten konnten. Da die A61 eh gesperrt war, arbeiteten wir uns von dort auf der parallel laufenden B9 bis Worms weiter. Der Druckverlust des Reifens war immer noch spürbar und so entschieden wir uns ein Nachtlager zu suchen um am nächsten Morgen in aller Ruhe einen Reifenhändler zu konsultieren.

Reifenwechsel

Die ersten Versuche am Dienstag einen General Grapper AT 205/75R15 aufzutreiben schlugen schnell fehl: Lagerbestand keine Chance, Anlieferung aus irgendwelchen Zentralen Minimum 4 Tage - wenn dort überhaupt verfügbar, keine Bestände bei General, nächste Fertigung Mitte Januar :-(. Einziger Lichtblick: Reifen Balkan in Neuwied, wohin wir uns nun langsam und mißtrauisch vortankten. Dort warte ein kompletter Satz General S48 - Straßenslicks - auf uns. Na, ja besser als nix und allemal besser als 'ne kaputte Viscokupplung. Im Laufe des Dienstags traf dann auch unsere Mitfahrerin Andrea samt dem Ersatzmoppedanhänger ein, so dass unsere weitere Zeitplanung für Abfahrt Mittwoch wieder in normales Fahrwasser gelangte. Einzig der Hinweis des Reifenhändlers auf den grünen und den schwarzen Tropfen unter dem Bulli beim Reifenwechseln hätte uns aufmerksamer machen sollen!

Der Pis---bulli

Nach dem Verladen der Alp in Hockenheim (Gott sei Dank - sie stand noch da!) kamen wir noch eine Ausfahrt weit - alle Lampen an! Kühlwasserverlust, Ölverlust. Kurzer Anruf bei Carlo in Karlsruhe und seinen Scheunenwerkstatt stand für uns Gewehr bei Fuß. Der Kühlwasserverlust entpuppte sich als klassisches Eigentor. Ich hatte vor der Tour noch zwei neue Keilriemen aufgezogen und den Kühlschlauch der durch den einen hindurch läuft so unglücklich verlegt, das er an der Riemenscheibe aufgearbeitet wurde. Ein Thema, das schnell mit etwas Rohr und Kabelbindern behoben war. Schwieriger gestaltete sich die Diagnose nach dem Ölverlust auf der linken Seite, aber auch hier wußte Carlo Rat: Seine Haus- und Hofwerkstätte sein für so was mal eben zwischendrin immer zu haben. Blöd nur, das es schon 5 Uhr war, als wir dort aufliefen und längst Feierabend eingekehrt war.

Die Boxenstrategie

Eine weitere Nacht, die unseren Zeitplan ins Rutschen brachte. Am nächsten Tag warten auf die Diagnose - am Nachmittag dann endlich: "...scheint die Stößelführung zu sein." Also Motor raus - Ende der Reise. Wieder hatte Carlo, als gelernter VW-Mechaniker die rettende Idee:"... da gab's mal so Teleskopführungen, da brauchte man 'nur' den Zylinderkopf runtermachen...". Sofort wurde die Fahnung nach den Teilen bei den umliegenden VW-Hökern aufgenommen: "... ja, so was gab's mal...." Schluck - der spricht in Vergangenheitsform "... huch, die gibt's ja immer noch, ..." *Freu* "... hab' nur grad' keine da." *Frust*. Zum Glück endete hier die Hilfsbereitschaft noch nicht. Ein Anruf beim Kollegen, zur Klärung der Verfügbarkeit, ein Ausdruck aus dem ETKA mit den Teilenummern und die Gewissheit Führungen und Dichtungen beim Kollegen in ausreichender Menge vorzufinden wurden wir auf die Reise geschickt. Die Boxenstrategie wurde ausgeteilt: Wir fahren so schnell es geht bis Almeria, zwischendurch fleissig Öl nachfüllen. Ankunft geplant 25.12. abends. Carlo folgt in einer Nonstop-Tour einen Tag nach uns, Ankunft für ihn: 26.12. morgens. Dann sollte im besseren Wetter Spaniens die Reparatur erfolgen (so rund 3 Stunden hatte Carlo veranschlagt) um am 26.12. abend pünktlich auf der Fähre zu stehen. So ähnlich lief's dann auch.

Tankstopp mitten auf der Autobahn

Die erste Nachtschicht ging bis Mühlhausen, wo durch mangelndes Vertrauen in die Autobahntankstellendichte Bettina auf der Suche nach Sprit eine Schleife durch den Ort zog um a) festzustellen, dass ab 21:00 Uhr nur noch die französische "Card Bleu" für Stoff sorgt und b) kurz drauf auf der Autobahn ohne Saft liegen zu bleiben. Flugs also Mopped abgeladen, 10er Kanister in den Rucksack und eine Mademoiselle bezirct, sie möge doch auf ihre Card Bleu 10 ltr Super Sans Plomp bereitstellen um von uns Bares zu erhalten. Die Bullerei die sich c) zwischenzeitlich zum Bulli gesellt hatte, war eigentlich mehr amüsiert, denn über die Verkehrssicherheit bemüht. Der Alko-Test wäre zu Ungunsten der Jungs ausgefallen. Ach ja, d) stellten wir fest, das keine 5 km hinter Mulhouse eine Autobahnraststätte samt Tanke anzutreffen war :-(((.

Heiligabend

Heiligabend verbrachten wir auf einem kuschligen Parkplatz vor Barcelona um nach der "Weihnachtsfeier" noch ein paar Kilometer Richtung Süden gut zu machen. Fast hätte ein wahnsinniger Spanier, der mit offener Tür nur halb auf dem Standstreifen parkte noch unseren Bullfänger getestet, aber sein Sprung in den Peugeot und das Schließen der Fahrertür waren olympiareif und keine Sekunde zu früh. Die anschliessenden Kilometer waren zwar dann alle wieder wach, aber die Nachtruhe dennoch hoch willkommen. Unsere Boxenstrategie geht auf - mit 9 Litern Öl auf 2.000 km erreichen wir Almeria, Moppeds und Hänger glänzen wie Speckschwarten.

Handanlegen

Via SMS haben wir mit Carlo einen laufenden Abgleich und so wissen wir, das auch er im Zeitplan liegt. Als er am 2. Weihnachtstag einläuft, steht er schon in der Mechanikerkombi, der Pistenbulli ist aufgebockt und es kann losgehen. Nach lösen den Abdeckblechs und des Ölfilters ein herzhaftes Fluchen von Carlo: "... die 20 DM für die Kaffeekasse läßt Du Dir zurückgeben!!" Es war *nicht* die Stößelführung, sondern der Öldruckschalter :-( Carlos Schrauber hatte sich nicht die Mühe gemacht, das Blech runterzunehmen, sondern mal lustig drauf los geraten. Darauf waren wir nun nicht vorbereitet, außerdem hatten die Werkstätten in Almeria geschlossen - Feiertag. Die Idee den Öldruckschalter aus Carlos Bus zu nehmen wurde aber sofort wieder verworfen, als Luigi mit dem TD-Golf einlief: "... wir nehmen Deinen - da kommt man leichter dran..." Und schon hatte Carlo die Motorhaube offen und Luigi konnte nur noch verdaddert schauen, wie sein Golf kanibalisiert wurde. War ja, wurscht - die Kiste stand 3 Wochen nur auf dem Campingplatz rum und bis zu seiner Rückfahrt blieb genügend Zeit Ersatz zu organisieren. Kurz gesagt: Es paßte - nicht nur vom Gewinde, sondern auch der Anzeigebereich scheint so tolerant zu sein, das es zu keiner Fehlfunktion im Pistenbulli kam.

Abfahrt

Flugs noch das Gepäck von Carlos Schwester, die die nächsten 3 Wochen mit auf dem Pistenbulli fahren sollte umsortiert und es konnte losgehen zum Fährhafen. Die Mopped schlängelten sich kurzerhand nach vorne durch, der Pistenbulli bezog Wartestellung etwas weiter hinten. Dann die erste positive Überraschung: "Ah, Rallye (!!) Maroc-Challenge - hier entlang bitte!" Eine freundliche Dame hatte sich der beiden Organisatoren Carlo und Luigi angenommen, binnen kürzester Zeit kehrten die Beiden mit Boarding Cards, Zetteln für die Einreisedeklaration und einem großen Karton voll T-Shirts, Kappen, Kugelschreibern und Aufklebern der Fährgesellschaft Ferrimaroc zurück. Die Gruppe wurde auf einen Extra-Parkplatz gelotst, wo schon eine zweite "Rallye" stand: gut 50 - 70 Jeeps aus Spanien, Frankreich und England.

Der erste Schmacko

Der Pistenbulli wurde nicht sofort als zugehörig identifiziert, so dass ein eifriger Wachmann am Portal zum Extraparkplatz einen Stop verlangte. Was einen hinterher fahrenden Marokkaner zum Auffahren ermutigte - die Tourikutsche sah aus, als wäre da Geld zu schneiden. Pech gehabt! Sowohl die von ihm herbeigeholte Guardia Civil als auch die Angestellten der Ferri-Maroc schienen mit seiner Spezies einschlägig erfahren zu sein. Trotz seines lautstarken Gezeters wir wären ihm beim Zurücksetzen aufgefahren und Lügner und Betrüger und Halsabschneider und ... taten alle ganz brav Dienst nach Vorschrift. Und nach dem sich eine komplette Motorradgruppe als Zeugen anmeldete erst recht ;-)). Bis es zur "Unfallaufnahme" kam, war der Pistenbulli längst verladen und das "get lost" unseres Dolmetschers in Richtung des Marokkaner blieb' mir noch lange im Ohr :-). Die Pre-Maroc-Challenge war geschlagen.

Die Überfahrt

An Bord wurden Pässe und Fahrzeugpapiere eingesammelt um anschließend vom Chefstewart persönlich der en-bloc-Abfertigung als Rallyegruppe zugeführt werden. Was hatten wir im Vorfeld für Horrorgeschichten gehört: Lange Schlange für die Pässe. Wenn Du Glück hast, ist immer noch offen, bis Du vorne ankommst. Dann nochmal das Spiel mit der Eintragung des Fahrzeugs in Deinen Paß. Wenn Du Glück hast, ist immer noch offen, bis Du vorne ankommst. Und dann noch die Abnahme im Hafen. Wenn Du Glück hast, ist immer noch offen, bis Du vorne ankommst. Keine Spur davon! Und der angekündigte Begrüßungcocktail fiel wohl mit Rücksicht auf die immer bleicher werdende Gesellschaft aus. Kaum abgelegt ging das Drama der Nacht seinem Höhepunkt zu - der Kahn schlingerte und schaukelte. Nie war ich von einem Bier so besoffen wie an diesem Abend. Unser Junior fand alles prima - sozusagen die Gnade der späten Geburt: sein Gleichgewichtssinn ist noch nicht vollständig entwicklt. Bis zum Anlegen am frühen Morgen in Nador dürfte es kaum jemanden aus unserer Gruppe gegeben haben, dem der Abend nicht noch mal durch den Kopf gegangen war. Im Hafen von Nador die Fortsetzung der Abfertigungsüberraschung. Mit einem Stapel frisch gestempelter Pässe zum Zoll. Der Capo kommt mit zwei Helfern zurück (klar: um 22 Moppeds und 1 Pistenbulli abzuzählen braucht's die Hände von 3 Leuten ;-))) und ruckzuck heißt's: "Bienvenue au Maroc - Bon voyage!" Falls nochmal Marokko, weiß ich: nur noch als Rallye-Raid ;-))).

Schotterspaß

Der erste Tag in Marokko, die erste Etappe. Luigi und Carlo haben Roadbooks vorbereitet und die GPS-Koordinaten sind längst zu Hause einprogrammiert. Wir fahren zu acht (Carlo, Luigi, Wolfgang, Marco, Claudia, Gisi, Gitte und ich) ein Stück entlang der Küste Richtung Osten, grobes Ziel Oujda (sprich: Uschda; "j" wird wie "sch" gesprochen). Auf der Michelinkarte (Nr. 959 1:1.000.000) ist eine schöne Piste durch die Zegzelschlucht eingezeichnet. Mit einiger Raterei und einigen Abgleichen zwischen der Michelin und der RV-Karte (1:800.000) entscheiden wir uns dann für einen Einstieg und werden nicht enttäuscht: 130 Schotterkilometer vom schönsten - landschaftlich wie fahrerisch bilden einen schönen Auftakt für die Maroc-Challenge. An einigen Ecke auf der Höhe, wo sich die Sonne rar macht dürfen sogar noch ein paar Schneefelder passieren. Auch was den Exit unserer Strecke angeht können wir nur grob raten. Um nicht völlig aus der Zeit zu kommen, wir sind hinter Oujda mit dem Pistenbulli verabredet, entscheiden wir uns für die Nummer-sicher-Variante und nehmen wieder Asphalt unter die Räder. Noch etwas Brot und Wasser eingekauft und tatsächlich finden wir den Pistenbulli am vereinbarten Treffpunkt. Da es langsam dunkelt suchen wir in der nächsten Umgebung einen abgelegenen Platz und finden ihn an einer Bauernhofruine, wo wir unsere 1000-Sterne Hiltons aufschlagen.

Der Pistenbulli soll seinem Namen endlich gerecht werden

Für die zweite Etappe hat sich der Rest der Truppe eine elendlange, elendgerade Strecke zur Oase Figuig ausgesucht. Bettina und ich wollen ab Ait Benimathar lieber rechts ab über das Plateau du Rekkam und die Piste S330 nach Oulad-Outat-el-Hadj. Die Geldwechselaktion geht zwar schneller als erwartet über die Bühne, dennoch ist es Mittag, als wir die 150 km lange Piste angehen. "Difficile" meint der Polizeiposten am Ortsende und wiedermal "Bon voyage". Wo immer wir von den Polizeiposten angehalten werden erleben wir gleiches: freundliches Fragen, nach dem woher und wohin und gute Reise. Meistens werden wir einfach nur durchgewunken, sobald wir als Touries indentifiziert sind. Die Piste entpuppt sich als härter als gedacht. Vor allem, wenn man wie wir mit einem recht ordentlichen Tempo die ganze Sache angeht. Um noch im Hellen im nächsten Ort anzukommen ist immerhin ein 30er Schnitt nötig. Ein Unterfangen, das im Nachhinein betrachtet zum Scheitern verurteilt sein mußte. Ganze 30 km stoßen wir vor, die Spurenbündel sind schon so zahlreich, dass wir mit treffsicherer Genauigkeit immer die haarigeste Piste hernehmen um uns dann prompt hinten rechts einen Plattfuß einzufahren. Kein Reifenpilot mehr dabei, der Schlangenbiß ist groß genug um die Luft relativ schnell entweichen zu lassen, Flickzeug für tubeless ist nicht, die Reifenmilch vom Woick wollte ich doch eigentlich auch..., und den Sch...wagenheber hatte ich in Almeria schon verflucht. Es hilft nix - das Ersatzrad muß drauf.

Aus marokkanischem Boden wachsen Steine - und Menschen

Und ein weiteres Phänomen von Marokko erschließt sich uns: egal wo Du bist, wie einsam Du Dich auch fühlst - es wachsen Menschen aus dem Boden. So auch in diesem Fall, die sich sofort - mehr eifrig als wirklich hilfreich - am Pannenbulli zu schaffen machen. Da uns die Aktion weitere kostbare Zeit gekostet hat und wir nun wirklich blank sind, sollte vergleichbares passieren, entscheiden wir die Piste Piste sein zu lassen und uns schnellstmöglich auf Asphalt zu begeben und das 90 km entfernte Taourirt anzusteuern. Der Ort schaut auf der Karte groß genug aus, um dort eine Werkstatt zu finden, die unseren Reifen wieder flott macht. Auch ein Hotel vermuten wir dort, finden im Trubel des späten Nachmittags, wo jeder auf den Beinen ist, um die Einkäufe für die bevorstehende Zeit des Fastenendes zu erledigen, aber keines. Überhaupt entpuppt sich der Ramahdan als praktische Sache: tagsüber, bei körperlicher Anstrengung nur etwas Wasser und einen Müsliriegel (soviel sei uns Ungläubigen dann doch gestattet - geht ja heimlich nebenbei) und abends trotzdem eine ordentliche Mahlzeit - machen die anderen ja schliesslich auch ;-))). Mangels Hotelfund gibt's eben am Ortsende nochmal 1000-Sterne Hilton und die guten Nudeln aus der Tüte :-P. Die Reifenwerkstatt unserer Wahl haben wir schon entdeckt und wird für den nächsten Tag vorgemerkt. Unsere Frage nach Reparatur wird abschlägig beschieden. Wahre Wunderdinge hatte ich von den Vulkanisateuren gehört - aber ausgerechnet unser Loch im Reifen ist "plus grande" - etwas zu groß :-(. Aber einen Schlauch könne er mir reinmachen. *Vordiestirnklatsch* An so was einfaches hab' ich überhaupt nicht gedacht - bei meinem Mopped käme nicht nicht im Traum auf die Idee ohne Schlauch ins Gelände zu fahren, selbst wenn's keine Kiste könnte (sie kann's eh nicht). Sofort wird die Ausrüstungsliste für künftige Geländefahrten, die schon einige Position aufweist, verlängert: Schläuche reichlich. Ob er das Rad auch direkt montieren soll - nein danke, machen wir beim nächsten Stop dann selbst. Um's vorweg zunehmen: bis Almeria sollte das Ersatzrad seinen Dienst tun - übrigens ohne jeden Einfluß auf die Viscokupplung. Und der "reparierte" Reifen mit Schlauch und Gummieinlage uns über die Autobahn heil zurückbringen.

Die Überlebenden der Wüste

Outat-el-Hadj steuern wir so heute über Guercif an und weil wir noch etwas Boden gutmachen wollen darf's auch noch bis Missour und wenn's geht auch bis Midelt weitergehen. Hinter Outat-el-Hadj stoßen wir auf die Berliner Truppe. Die Zigarettenpause ist ein echtes Rauchopfer: "...middm Läbbn hommer obgeschlossen gehobt..." Schatzi aus Leipzig ist noch ganz zitterig. Von Taourirt aus hatten sie hinter Debdou den Ausstieg aus einer Route nicht gefunden und waren geradeaus in das Plateau du Rekkam geraten wo sie die Orientierung verloren hatten. Wasser und Sprit wurden knapp und jeder hoffnungsvolle Abzweig zu einer Piste endete früher oder später an einem Nomadenzelt. Irgendwann muß Kiepe wohl einen umgestürzten, verwaschenen Wegstein so lange hypnotisiert haben, bis darauf doch noch die rettende 330 als Pistenbezeichnung zu lesen war. Es sollte nicht das letzte Mal bleiben, das Schatzi (fast) verloren gegangen wäre.

Durch den Atlas

Wir geben ordentlich Gas - die Strecke läuft schnurstracks - und schaffen es tatsächlich bis hinter Midelt. Nach zwei Tagen in der Kälte wild campen ist die Devise für heute abend klar: ein festes Dach, heiße Dusche, warmes Bett, 'ne ordentliche Mahlzeit und wenn's gibt auch ein Glas Wein. Gibt es alles! Und 'nen grandiosen Ausblick auf den verschneiten Atlas gratis dazu. Anderntags zieht es sich zusammen. Nach kalt kommt nun auch noch naß :-(. Und das ausgerechnet, wo's über den Atlas gehen soll - 1.800 m zeigt die Karte für den Pass an. Kaum sind wir über'n Kamm gibt's das Brenner-Erlebnis: die Wolken reißen auf, die Sonne kommt raus - wie auf dem Weg nach Italien. Nur kalt bleibt's auf unserem weiteren Weg Richtung Qued Ziz und dem Tunnel der Legionäre. Zwischendurch sammeln wir dann noch Yussuf (Josef) und seinen Harem (Katja, Christa und Andrea) sowie die AfricaTwin-Truppe um Stephan Gries auf um zusammen nach Errachidia und zur Source Bleu zu fahren. Zu unserer überraschung erwartet uns dort noch eine Transalp - mit marokkanischem Nummernschild?!

Überraschungsgäste

Per Öhl, unser schwedischer Transalp-Freund, hat kurzerhand den Pauschieurlaub Göteborg-Agadir, inkl. Hotel gebucht, das Hotel ersatzlos gestrichen und sich dafür ein Motorrad gemietet, um mit uns in den Dünen Silvester zu feiern. Erstaunlich, aber eigentlich typisch Per, hat er es geschafft, von der vielleicht zwei handvoll zugelassener Transalps in Marokko auch noch eine zu finden, die man mieten kann :-). Eigentlich könnte man es in der Source Bleu unter den Palmen gut aushalten. Wäre es nicht so früh am Tag und hätten wir nicht noch ein Date, ich wäre am liebsten dort geblieben. Ach ja, das Date: zuhause hatten wir mit Bernd, den wir vorher genau einmal getroffen hatten, und der sich spontan zu der Tour entschlossen hatte, ausgemacht: 30.12., 16:00 Uhr am Souk von Erfoud. Keiner von uns wußte, wo er am 30.12. wirklich sein würde und vom Souk in Erfoud konnten wir per Karte eine ungefähre Idee bekommen. Aber: es klappt.

Dünen und Piste

Zusammen mit Yussuf, Harem, Per und Bernd fahren wir noch ein Stück hinter Erfoud. Die volle Piste wollen wir uns bei einbrechender Dunkelheit nicht mehr geben, zumal der Wind zu nimmt. So schlagen wir in den ersten Dünenausläufern unser Nachtlager auf und üben schon mal ein bißchen Sandfahren: Immer feste Gas und hoffen, das die Düne trägt. Ansonsten wollen 200 kg Mopped mit dem Handbagger freigelegt werden. Der Wind wächst sich über Nacht zu einem ausgewachsenen Sandsturm aus. Aber als wir am anderen Morgen zum Treffpunkt Camping Ksar Sania aufbrechen ist's wieder ruhig. So können wir die Piste entspannt angehen. Im Spurengewirr halte ich mich zwar etwas zu weit links und komme arg von der Strecke ab, aber was soll's, das GPS wird's schon richten. Im Moment ist erstmal pures Dakar-Feeling angesagt und aller Vorsicht zum Trotz - immerhin bin ich nach kurzer Zeit ohne Bullibegeleitung allein unterwegs - juckt die Gashand und die Piste läßt sich mit einen guten Hunderter fahren. Der Pistenbulli kämpft zwischenzeitlich hinter mir mit dem Wellblech und zumindest der Heckträger fällt der Piste zum Opfer. Bis zum Nachmittag sind dann alle im Ksar Sania eingelaufen. Es wird viel erzählt über schon bestandenen Abenteuer und alle freuen sich auf den bevorstehenden Silvesterabend. Carlo und Luigi kehren mit den GPS-Koordinaten für das Lager zurück und schon beginnt ein wilder Massenstart zum Lager. Mein kurzzeitiger Vorsprung macht ca. 500 m vor dem Camp eine Düne zunichte. Bis ich die Kiste ausgebuddelt hab, sind alle anderen längst an mir vorbei und außer der unschlagbaren B-Note bleibt mir nur der letzte Platz im Zieleinlauf ;-)).

Silvester 1999/2000

Das Camp ist genial gewählt, kurz hinter der Piste zwischen den Dünen stehen wir einigermaßen geschützt und können uns nach Herzenslust ausbreiten. Wasser haben wir genügend für 3 Tage im Pistenbulli gebunkert, die Zelte sind schnell aufgeschlagen - neues Jahrtausend, du kannst kommen. Es kommt, gleich mehrfach. Alle Stunde wird nach dem Abendessen in Eiseskälte Silvester gefeiert: Australischer Silvester, Indischer Silvester, Deutscher Silvester, ... bis 24:00 schaffen wir's heute abend nicht - jedenfalls nicht draußen. Es wird ein ruhiger, zweisamer Jahrtausendwechsel angesichts der immer schneidender werdenden Kälte - da hilft auch kein Jackie (Daniels) und kein Lagerfeuer(chen). Unklar ist zu diesem Zeitpunkt noch, wo Schatzi und Robert frieren und feiern. Die Berliner hatten sich aufgeteilt, damit jeder sein Tempo fahren konnte. Blöderweise war Schatzi die drei Paletten Bier anvertraut. Der hatte dafür sein Campinggepäck - Zelt, Schlafsack, Isomatte - bei Kiepe untergebracht. Nun laufen die Spekulationen: können 3 Paletten Bier so viel wären, wie ein Schlafsack? Baut sich Schatzi aus den leeren Dosen ein Zelt? Sind die beiden auf eine falsche Piste geraten und an der algerischen Grenze als Alkoholschmuggler verhaftet worden? Erst 3 Tage später in Tinerhir werden die beiden wieder gesichtet. Das Bier ist arg dezimiert und gegen die Kälte wurde ein Hotel in Merzouga gefunden, wo die beiden ihren Jahrtausendwechsel zelebrierten. Es sollte nicht das letzte Mal bleiben, das Schatzi (fast) verloren gegangen wäre.

Dünencamp

Am Neujahrstag gesteht, dann auch der überwiegende Teil des Rests ein, das es zu kalt ist. Als Ausgleich wäre zumindest eine heiße Dusche gefragt und so wird am zwischenzeitlich geleerten Ksar Sania Platz für alle gebucht. Vorher werden natürlich die Dünen durchfahren. D.h. das leichte Klackern am Hinterrad der Alp veranlaßt mich erstmal zu einer Schrauberaktion: Sicherheitshalber wird das Radlager getauscht und wo das Hinterrad schon mal ausgebaut ist, wird auch der Kettenkit gewechselt. Frankenmechaniker Marco und AfricaTwin-Ersatzteil-Express Horst (unglaublich, was der alles dabei hat!) helfen fleissig mit, so daß nach 2 Stunden die Kiste schon wieder auf beiden Rädern steht und eine Proberunde gedreht werden kann. Der Bulli wurde vorher schon von Carlo inspiziert, nachdem der Öldruck auf der Pistenanfahrt permanent geleuchtet und getutet hatte. Da wir uns - vorgewarnt durch die Anfahrt - unseres Ölstandes aber sicher waren, wurde die Tour fortgesetzt und erst im Camp die Reparatur in Angriff genommen. In der Tat entpuppt sich das ganze als ein lapidarer Kabelbruch an einem Stecker, der quick'n dirty behoben wird. Nach einigen Toberunden im Sand wird dann der Umzug zum Ksar Sania in Angriff genommen. Damit's schnell geht, lassen wir einige nur grob zusammenpacken und werfen den ganzen Plunder in den Pistenbulli.

Werner - Eiskalt

Am Ksar Sania ist's mindestens so kalt. Auch die geschützte Lage unter den Palmen ändert da nichts. Wir bleiben dennoch 2 Tage, um die grandiose Landschaft in uns aufzunehmen und JFK die Chance zu geben im größten Sandkasten, den er in seinem jungen Leben gesehen hat, buddeln zu dürfen. Morgens nach einer kalten Nacht, in der auch die 600 DM-Schlafsäcke an ihre Grenzen geraten sind, schauen wir auf's Thermometer des Transalp-Bordcomputers: 3.1. 7:39 -14,3°C ! Die Nacht dürfte also für mehr als -15° gut gewesen sein - brrr. In der Hoffnung auf wärmeres Wetter brechen wir Richtung Todra- und Dadesschlucht auf. Ein Abstecher soll mich noch zur Hassi Romi - der Himmelstreppe führen. Trotz GPS-Daten finde ich den Einstieg ins Oued nicht. Hieße auf den Pistenbulli warten. Nachdem Andrea und Wolfgang mich aufsammeln und mich bis dahin schon etliche Schmackos - das ist die aufdringliche Version der Marokkaner, wir lernen im Laufe des Urlaubs, das es kaum andere gibt - umlagert haben, breche ich vorzeitig vom Treffpunkt auf. Die abgesetzte SMS kommt leider viel zu spät bei Bettina an. Sie steht 2 Stunden in dieser extrem verseuchten Gegend und wartet, das ich aus einer Off-Road-Etappe zurückkehre, die ich nie gefahren bin. Arme Mädel: erst ein paar heftige boarische Flüche schaffen es - zumindest vorübergehend - die Schmackos zu vertreiben.

Rund um Todra und Dadesschlucht

Andrea, Wolfgang und ich sind zwischenzeitlich in Tinerhir eingelaufen und haben uns im Hotel Tombouctou - einer alten, renovierten Lehmkasbah - eingemietet. Zimmer mit Dusche gab's leider nicht mehr, aber die komplette Dachterasse mit 3 Zimmern und einer Gemeinschaftsdusche gehört uns exklusiv. Die Sonne zaubert ein tolles Schauspiel in das 360°-Kino auf dem Dach bei ihrem Untergang. Die 2x 100 Watt Zusatzscheinwerfer des Pistenbulli sind derweil auf Angriff gedreht worden und Bettina fährt eine Nachtsonderprüfung mit dem Bulli nach Tinerhir. Das hervorragende Abendessen im Berberzelt des Hotels versöhnt sie wieder etwas. Tags drauf breche ich mit den Berliner zur Dades-Schlucht auf. Bettina, Petra, Andrea und Wolfgang fahren mit dem Bulli in die Todraschlucht zum wandern. Wenn wir zeitlich einigermaßen zurechtkommen, wollen wir uns dort treffen, weil uns die Querverbindung über einen Schotterpaß zwischen Dades- und Todraschlucht juckt.

Der Schotterpass

Gegen 14:00 Uhr sind wir kurz hinter dem Einstieg, als uns Yussuf und verkleinerter Harem entgegenkommt. Seit 9:00 Uhr sind die 3 unterwegs, hieße für uns noch 5 Stunden Fahrt, die vor uns lägen. Ankunft damit in der Dunkelheit. Der überwiegende Teil beschliesst darauf hin: Zwecklos, wir kehren um. Meine Frage nach Mitstreitern, die's trotzdem versuchen wollen, wird eindeutig von Schatzi beantwortet: "... isch konn do meen Mopped nisch umdrähn, isch muss weidder...". Auch Robert mag mit kommmen und so turnen wir durch eine Piste, die sich beim letzten Regenfall irgendwie mit dem Fluß vereinigt haben muß. Nach den kniffligsten Stellen halte ich an, um zu schauen, wo Schatzi und Robert bleiben. Warten, keiner kommt. Haben die doch umgedreht, weil's zu knackig war - eigentlich nicht Schatzis Stil, Robert kann ich nicht einschätzen, aber ein Kind von Traurigkeit schien auch er nicht zu sein. Mir gehen alle möglichen Gedanken durch den Kopf: Zurückfahren ? Eigentlich schon, aber was wenn die tatsächlich umgedreht haben, dann fährst Du das Teil sicher nicht ein drittes Mal. Und die Zeit wäre dann auch extra knapp. Was ist, wenn's 'ne Panne gegeben hat? Ich hab' nicht mal für mich selbst was dabei, kommt mir in dem Moment - kein Reifenpilot, nix. Hmm, die sind zu zweit, können sich also helfen - ich beschliesse - schon mit etwas schlechtem Gewissen - weiterzufahren, wenn auch etwas langsamer und vorsichtiger, weil ich jetzt alleine bin und bei einem Sturz eine Hilfe auch schon mal zu spät kommen kann. Die Strecke ist phantastisch. Das Flußbett bleibt für lange Zeit das kniffligste an Passage. Die Felstreppen stehen noch aus, sind aber - bergab zufahren - leichter als erwartet. Auch das berüchtigte Dorf Tamtatouche, wo einen Kinder in alle Himmelsrichtungen gleichzeitig schicken wollen, wenn sie kein Bakschisch bekommen, verliert bergab seinen Schrecken, weil die Richtung einigermaßen klar ist. Kurz und knapp: trotz Warten auf Schatzi und Robert und einigen Abstechern in die Campingplätze der Todraschlucht um den anderen Bescheid zu sagen stehe ich zwanzig vor fünf, also lange bevor es dunkel wird, vor dem Hotel und ziehe den Zündschlüssel ab. Das neue Fahrwerk hat's mir aber auch leicht gemacht! Irgendwann in der Nacht klingelt das Telefon des Portiers und Bettina wird gerufen: Schatzi und Robert sind gerade am Campingplatz eingetroffen und nach meinem Verschwinden weiß keiner, ob ich jemals angekommen bin. Schatzi hatte sich einen Plattfuß eingefahren, alle Reparaturversuche blieben erfolglos. Da er sein Mopped nicht mitten in der Piste allein lassen wollte, kam die Rettung in Gestalt einer Ente! Zwei Freaks aus der Nähe Magdeburgs, denen ich unterwegs auch begegnet bin, sammeln Schatzi und sein Gefährt auf und bringen ihn zurück zum Campingplatz. Ich hab' zwar bis heute keine Idee, wie eine Transalp in eine Ente paßt, aber es soll Beweisfotos geben. Die Story spricht sich sogar bis nach Agadir rund, wo inzwischen Carlo, Luigi und Brigitte ein Nobelhotel bevölkern.

Draatal

Die Strafe für meinen Alleingang folgt am nächsten Tag auf den Fuß: völlig abgekämpft und patschnaßgeschwitzt durch die kalte Höhenluft zu fahren bringt im Ergebnis eine fette Erkältung. So bleibt die Alp heute im Stall und ich dreh' eine Runde mit den Mädels im Bulli Richtung Dadesschlucht wo wir die Franken wiedertreffen und von Gisis "Camel-Trophy" erfahren. Sie ist 2 Tage vorher bei Zagora mit einenm Kamel zusammengestoßen. Trotz der 80 km/h ist die Maschine noch leidlich in Takt. Außer Schock und Prellungen ist auch Gisi zum Glück ok. An den darauffolgenden Tagen, habe ich weiter die Chance meine Gesundheit etwas zu schonen, weil Bettina die Alp Richtung Ouarzarzate und weiter ins Draatal bewegt, bzw. weil wir auch im Draatal nur Abstecher mit dem Bulli unternehmen. Das Draatal ist eigentlich eine einzige gigantische Oase wo unter Dattelpalmen Henna und Minze angebaut wird. Von hier aus - genauer von Zagora - starteten in früheren Zeiten die Karawanen durch die Sahara nach Timbuktu und Gao. Heute erinnert nur noch das berühmte Schild: "Tombouctou - 52 jours" an diese Zeiten. Die Grenze zu den Fundamentalisten nach Algerien ist dicht. Heute geht es nur noch bis Mhamid und weiter westwärts durch die Dünen an der Grenze entang, wo sich Carlo, Luigi und Brigitte vor wenigen Tagen amüsiert haben müßten.

Lust und Frust

Zu dem Zeitpunkt fange ich an nachzudenken, wieviele Schrauben ich an der Alp linksdrehen müßte, um sie in den VW-Bus zu verfrachten um mir oder Bettina das hinterher geeiere bei lausigen Temparaturen zu ersparen. Die Überlegungen führen zu keinem Ergebnis, sonst wäre mir der Tizi'n Tichka an der Nase vorbeigegangen. Der Pass zur Nordseite des Atlas macht einfach nur Spaß: Kurvenglühen vom feinsten und....auf der Nordseite herrscht mildes Klima. Es ist zum Verzweifeln: Warum nur haben wir uns zwei Wochen in der Kälte rumgetrieben? Und die Leute sind freundlich. Zwar wollen auch hier die fliegenden Händler was verkaufen, aber ein schlichtes "Nein" reicht und sie ziehen sich zurück. Im Draatal hätten wir die Kinder mit ihren Dattelkörben fast noch im Bullfänger gehabt so penetrant sind die auf die Straße gesprungen. Einzig die Angaben im Därr über Tankstellen auf der Passstrecke stellen sich als Fehlinfo heraus und so geht mir in Ait Ourir der Sprit aus, obwohl ich zuletzt nur noch schaumgebremst unterwegs war und die Bergabpassagen schon ohne Motor absolviert hatte. Die Kanister des Bullis hauen mich raus und so sind wir kurz drauf hinter Marrakesch im Hotel Sidi Mansour - einem Traum aus 1001-Nacht. Alles ist voller Arabesken, durch den Garten stolzieren Pfauen - schade, das es etwas muffig und verwohnt ausschaut, sonst wäre die Illusion wirklich perfekt. Marrakesch wollen wir uns - nicht ganz freiwillig - schenken. Der Ramadan geht zu Ende, der Menschenauflauf dürfte noch größer als sonst sein und JFK wäre der Chef im ganzen Trubel und würde geherzt und geküßt, was auch seiner Gesundheit sicher nicht zuträglich sein dürfte. Ein angekratztes Familienmitglied reicht! So fahren wir weiter Richtung Beni Mellal, nicht jedoch ohne einen Abstecher zu den Ouzoud-Wasserfällen.

Die  Ober-Schmackos

Unser Nachtlager wollen wir im Hotel Bellevue in Kasba Tadla aufschlagen. Nach 3 Runden durch den Ort geben wir die Suche auf: kein Hotel Bellevue zu finden - also ab Richtung Ortsausgang ans Oued und den Westfaliadeckel hoch. Es dauert keine 2 Minuten und der erste Eingeborene steuert auf uns zu und ist auch erstmal nicht vom Bus wegzubewegen. Ich seh' Bettinas Mandeln schon wieder langsam anschwellen. Zum Glück verschwindet er nach einiger Zeit aber doch. Wir sitzen gerade über unserem Abendessen und freuen uns schon auf unser Bett als es an der Schiebetür klopft. Da steht er wieder, hat seinen Bruder mitgebracht und als "Willkommen" auch noch The ála Menthe - den allgegenwärtigen Pfefferminztee -, Brot, Eier und den giftgrünen Ghettoblaster, der auf der Mittelwelle rumpfeift. Zum Glück ist Emfang Ende, als sich die Schiebetür schließt, so das das Teil sehr schnell verstummt. Sein französisch ist noch lausiger als unseres: kurz keiner von uns hat's je richtig gelernt. So sitzt man höflich schweigend gegenüber in der Hoffnung, die nette Geste möge nicht allzu lange dauern. Nach zwei Stunden, in denen Bettinas Hals immer dicker wurde und ich sie nur einigen Knuffen in die Seite eingefangen bekam, verabschieden sich die beiden. Nicht ohne die Zusicherung, sie kämen anderntags um 9:00 Uhr mit Frühstück zurück! Damit ist die Parole für morgen ausgeteilt: 8:00 Uhr Abfahrt! Der Dauerregen am Morgen durchkreuzt unsere Pläne. Lustlos packen wir unser Zeugs zusammen und ergeben uns unserem Schicksal, das uns pünktlich 9:00 ereilt. Die Gastfreundschaft soll dann doch ihren Preis haben: Stolz wird der - für Marokkaner schwer zu bekommende - Reisepass gezückt. Um das noch schwieriger zu bekommende Deutsche Einreisevisum zu bekommen bedarf es einer Einladung. Das ist dann die Stelle, an der uns - immer noch sehr höflich - unser französisch vollends verläßt. So kommen wir mit einiger Verspätung auf die Landstraße Richtung Fes, wo hinter der 1. Kreuzung das Hotel Bellevue steht - wären wir doch nie nach Kasba Tadla Ortsmitte abgebogen :-(.

Wintereinbruch

Das Pech sollte uns an diesem Tag treubleiben. In Mrirt fängt dichtes Schneetreiben an. Trotzdem ich alles anhabe, was Wärme verspricht, friere ich wie ein Schneider als ich in Azrou - dem nächsten vereinbarten Treffpunkt - einlaufe. Ortseingang hatten wir ausgemacht. Zum Glück ist durchgängig Mobilfunkempfang da, so daß ich an den Besenwagen eine SMS absetzen kann: BIN IN AZROU IM CAFE ORTSMITTE. FAHRE HEUTE KEINEN METER MEHR! SUCHT HOTEL MIT HEIZUNG! Die Mitteilung erreicht Bettina noch vor Mrirt, die sich erst mal keinen Reim draufmachen kann. Kurz später kommt aber die Bestätigung. Auch sie weiß jetzt um die Wetterlage und sammelt mich im Cafe auf, verpaßt mir ein paar trockene Klamotten und kehrt kurz drauf mit der Hotelbuchung zurück. Es sind zum Glück nur ein paar hundert Meter, die ich heute noch über die Straße schliddern darf und auch Andrea und Wolfgang finden wir dort im Hotel wieder. Der Heizung im Zimmer friert es mindestens so viel wie mir, aber im Restaurant läuft der Bollerofen und die Moppedfahrer dürfen sich am dichtesten dran setzen. Eine leckere Forelle aus den umliegenden Gebirgsbächen entschädigt mich etwas für den Tag. Für den nächsten Tag erwarten wir nichts Gutes, führt der Weg nach Fes doch über Ifrane - dem marokkanischen Wintersportgebiet - auf gut 1600 Meter. Zum Glück reißt es über Nacht auf, so daß keine weiteren Schneefälle dazu kommen und so fahren wir eine Moppedwintertour, wie sie auch in Deutschland kaum schöner sein könnte. In Ifrane, das mit seinen Spitzgiebelhäusern auch genauso gut neben St. Moritz stehen könnte, werden wir angestaunt wie das 7. Weltwunder, als wir mit den Motorrädern über die Eisplatten teilweise sicherer unterwegs sind, als die diversen Autos, LKWs und Fußgänger.

5 Dirham extra

Hinter Ifrane geht's schnell bergab und unterhalb von 1.200 m scheint alles nur noch ein böser Traum gewesen zu sein: nichts erinnert auch nur entfernt an Winter als wir Fes von der Höhe aus vor uns sehen. Wie auch Marrakesch sparen wir uns die Stadt aus und nehmen stattdessen einen Abzweig nach Sidi Harazem. Dieser Ort hat uns schon während des gesamten Urlaubs begleiet. Die Hälfte der Wasserbuddeln trägt das Etikett "Sidi Harazem". Entsprechend groß ist der Andrang von Leute, die mit allen denkbaren und undenkbaren Gefäßen dort an der Quelle eine Ladung kostenlos abholt. Unser Etappenziel heißt Taza. Dort wollen wir die Gelegenheit nutzen einen Tag in der Stadt zu verbringen, die Medina zu besuchen und durch dem Souk zu schlendern. Nach Taza versichert uns unser Reiseführer glaubhaft verlaufen sich selten Touristen und so ist die Altstadt noch ursprünglich und der Markt an den Bedürfnissen der Einheimischen orientiert. Wir finden alles bestätigt und genießen ein erholsamen Tag. Beim Eintritt in die Altstadt haben wir uns an einer Würstelbude für 5 Dirham pro Nase gestärkt und sind schon auf dem Weg weiter, als uns der Verkäufer nachrennt. Es sei im peinlich, aber er habe sich verrechnet, uns 5 Dirham zu wenig abkassiert. Kein Thema, an der Mark soll's nicht scheitern, zumal mir seine Version sogar einleuchtet: Wolfgang hatte für 4 Leute 20 DH gegeben und 5 wiederbekommen - konnte alle Tage nicht stimmen. Das Andrea auch 5 DH gezahlt hatte, wußte ich erst später - nämlich als wir aus der Medina über den gleichen Weg wieder ins Hotel wollten. Wieder spricht uns der Händler an: Es sei ihm noch mehr peinlich. Er hat sich verrechnet. Wir sollen die 5 DH wiedernehmen. Ach was, behalt's für Ehrlichkeit. Nix da seine Händlerehre gibt nicht eher Ruhe, bis wir nach einigem hin und her die 5 DH wieder an uns genommen haben :-)). Als wir im Hotel ankommen, sind die Franken - Marco, Gisi, Claudia - samt AT-Anhang - Frank und Horst - angekommen. Der Abend wird noch recht nett und anderntags wollen wir zusammen über's Rifgebirge nach Nador zur Fähre aufbrechen. Dort treffen nach und nach tatsächlich alle ein und die Erlebnisse der vergangenen Tage werden ausgetauscht. Die Überfahrt verläuft ruhig. In Almeria angekommen schüttet es aus Eimern: kein Grund zum Ärgern, hier war das Wetter auch nicht besser.

Die Home-Rallye

Der Aufbruch vom Campingplatz nimmt fast auch nochmal Rallyecharakter an, die "Teams" überschlagen sich fast, wer zu erst am Start und damit zu Hause ist. Luigi kann seinen Öldruckschalter gar nicht schnell genug in den Golf bekommen und warten auf Post auf Deutschland, die uns das Ersatzteil bringen soll. Als Nachmittag trotz Express noch nichts eingetroffen ist, suche ich den nächsten örtlichen VW-Händler auf, erkläre mit Händen, Füßen und dem ausgebauten und sauber gefeilten Teil, was ich brauche. Keine Viertelstunde später stehe ich mit dem richtigen Schalter ausgestattet auf der Straße. Morgen kann die Heimfahrt starten. Beim Frühstück kommt dann auch der Postbote und bringt die Lieferung aus Schwabach: Trotz Fahrgestellnr., Baujahr, Motorangabe, Einbausituation liegen 2 (der Bulli hat ja zwei, man weiß ja nie ...) unterschiedlich falsche Schalter im Umschlag! Reife Leistung von VW-Feser in Schwabach! Egal. Wir sind längst startbereit und können darüber nur noch Schmunzeln. Bis vor Barcelona geht's in einem Rutsch, dann muckt der Bulli mal kurz. Wir sind uns unsicher, ob's vielleicht doch die VC ist, die auf der nassen Straße jetzt Terz macht, oder ob die lahmgelegte Kat-Elektronik jetzt im Regen absäuft oder doch nur mieser Marokko-Sprit der noch unseren Tank bevölkert. Nach der Nachtruhe auf der Autobahnraststätte ist jedenfalls alles wieder normal und so fahren wir in einem Rutsch durch bis nach Neuwied zu meinen Eltern. Nur eine Spritfaßaktion auf der nächtlichen französischen Autobahn kostet uns eine Stunde extra. Hatten wir das nicht so ähnlich schon mal auf der Hinfahrt? Und ich sach' noch: nimm die nächste Tanke, bis zur übernächsten langt's nicht.

Fazit

  • Marokko war landschaftlich sehr schön, wenn auch wenig abwechselungsreich.
  • Wer die Parole ausgeteilt hat, das Marokko als Winterziel für Moppedfahrer taugt, kann auch genauso gut zu Hause bleiben uns hier frieren.
  • JFK hat alles klaglos weggesteckt - der eine Tag Durchfall war schnell im Griff. Auch wenn's eine vage Hoffnung ist: vielleicht bleiben ihm ein paar Eindrücke.
  • Die Schmackos sind ein echtes Problem: wir hatten den Eindruck, das alles bis 12 Jahre bettelt und alles, älter als 12 ist, dir irgendwas verkaufen will - aber aufdringlich sind sie alle.
  • Der Pistenbulli hat uns schon ein paar Sorgen gemacht, allerdings weiß ich für's nächste Mal etwas besser, auf was ich mich einzustellen hab' und so wird die Ausrüstung auch angepaßt sein. Das verbuch' ich klaglos unter "Lehrstunden".
  • Die Transalp hat wie immer alles ohne Murren weggesteckt - ein echtes Muli.
  • Dem Muli werd' ich künftig mehr zumuten - die Idee von Gepäck im Bulli schränkt letztlich doch zu stark ein
  • Es gibt 3 Sorten Offroad, die sich in Marokko fahren lassen:
    • die Pisten im Süden, ziemlich geradeaus und immer voll am Hahn
    • die Sandetappen in den Dünen, aber ehrlich gesagt wäre mir die Sahara am liebsten mit ordentlich Wasser angerührt, damit Schlamm draus wird
    • die Pässe des Atlas, die zumeist aber mit Wintersperren versehen sind und für die es mindestens Frühjahr oder Herbst, besser Sommer sein sollte - aber da kann ich dann auch in den Alpen fahren

So gesehen wird's noch einige Zeit dauern, bis wir mal wieder nach Marokko kommen. Und falls es nächsten Winter eine Tour nach Tunesien geben sollte, bin ich mir nicht sicher, ob wir dabei sein werden...