EnduRoMania 5/2001

Schon vor Jahren hatte ich den ersten eMail-Kontakt mit Sergio. Immer wieder hatte ich mit ihm die Frage diskutiert ob die EnduRoMania denn wirklich Transalptauglich sei, ob wir mal zusammen eine Veranstaltung für die Transalper anbieten sollten, usw. Bei aller Offenheit von Sergio - meine Zweifel blieben. Zwischenzeitlich waren auch schon die ersten Liveberichte von Transalpern durchgedrungen. Nur das die (fast) alle die Transalp zu Hause gelassen hatten, um mit leichteren Geräten die Veranstaltung in Angriff zu nehmen. Meine Zweifel wurden wieder stärker.

Dennoch war mir eines klar, als ich mich Anfang des Jahres entschloß endlich mal selbst nachzusehen, was es denn mit dem Offroad-Paradies im wilden Osten so auf sich hat: Die Transalp mußte mit. Oder besser noch die AfricaTwin. Hubraum ist ja durch nix zu ersetzen. Und leicht gebaut waren ja beide. Das ich mich zu guter Letzt doch für die TA entschieden hab, war sicher kein Fehler. Erstens war der Rollout der AT beim Südfraktionstreffen noch etwas in die Hose gegangen und ich hatte danach keine Zeit für die Nacharbeit gefunden, 2. ist die TA mit dem XR-Fahrwerk doch eine Spur handlicher und zum 3. waren auch gute 20 kg weniger gegenüber der AT ein gutes Argument. Und außerdem wär's 4. Bettina's Mopped gewesen, das ich dann runinert hätte :-P.

Erfreulicherweise wurde Mittwochs mein selbstgebauter Hänger noch vom TÜV abgenommen, Donnerstags angemeldet, so das es am Freitagabend Richtung Rumänien losgehen konnte. Norbert war pünktlich in Jena dem Büro entflohen, so daß wir uns vereinbarungsgemäß um 21:00Uhr mit Dirk und Ralf auf dem Rastplatz Jura treffen konnten. Lediglich Luigi hatte noch ein paar Kleinigkeiten zu Hause vergessen und gesellte sich wegen dieser Extraschleife erst in Passau zu unserem Konvoi. Es folgte eine schier endlose Autobahnödelei durch Österreich und Ungarn. Gut das der Bulli über die angenehmsten Dinge für eine entspannte Reise bietet. Einen gutgefüllten Kühlschrank, einen Kocher für den frischen Kaffee am Morgen, ... Als wir gegen 10:00 Uhr an der Grenze stehen sind wir (unbeleckten) schon fast euphorisch noch ein Mittagessen in Wittmanns Hütte zu bekommen. Die Experten wissen jedoch schon, was auf uns zukommt: Warten, warten und warten. Dazu noch die Zeitverschiebung und ruckzuck sind's 14.00 Uhr bis wir auf Rumänischer Seite angekommen sind :-0.

Lustig zu beobachten sind dabei die "Kontrollen" der anderen Fahrzeuge. Ein Mercedes mit italenischem Kennzeichen, in dem aber offenbar Rumänen unterwegs sind, macht den Kofferraumdeckel auf und obenauf liegt die Korbflasche Chianti. Es wird sich kurz und gestenreich über die Qualiät des Weins unterhaltenund schwupsdiwups hat der Grenzer sie in seine Bude verbracht. Kontrolle fertig :-). Luigi hat schon das marokanische 10-03 Nummernschild aufgezogen. Da sämtliche Fahrzeuge samt Anhänger und Moppeds in die Pässeeingetragen werden warte ich nur darauf, das der gute Mann nun anfängt das arabische "Al Maghreb" abzumalen. Tut er zu Glück nicht, sonst hät's noch länger gedauert

Unser Konvoi ist zwischenzeitlich angewachsen. Etwas weiter hinten in der Schlange stehen unsere holländischen Freunde Randal, Henny und Yilmaz. Joscha ist seit einer Woche auf eigener Achseauf Anreise zur EnduRoMania. Auch Kay und sein Münchner Transportunternehmen Michael stehen mit an, so daß wir nach dem Grenzübertritt mit fünf Gespannen über die E70 Richtung Caransebes hoppeln. Vor allem mein Hänger hoppelt und weil er relativ steil hinterdem Syncro-Bulli steht, setzt er an einigen Bodenwellen sogar ganz ordentlich auf. Egal, nur noch ankommen. Entweder das Sch**ßding bleibt senkrecht oder er fällt um, alles andere dazwischen ignoriere ich zwischenzeitlich.

Am Abzweig nach Rusca wird von der zivilisierten Welt endgültig Abschied genommen. Noch ein Telefonat mit der Heimat, dann bricht das Funknetz zusammen. Die Anfahrt zu Wittmanns Hütte ist schon Offroad-Abenteuer satt und der Hänger bekommt den Rest. Das Heck ist geliftet, die Radhäuser ausgeschlagen. Da werd' ich mich zu Hause in Deutschland wieder drum kümmern. Irgendwie färbt nun langsam die rumänische Gelassenheit die wir schon auf der Anfahrt beobachten konnten auf mich ab. Wenn es hier eines reichlich zu geben scheint, dann Zeit. Warum also mit deutscher Gründlichkeit und Diszplin dagegenankämpfen.

Die Hänger und Autos sind schnell auf dem kleinen Parkplatz verschlichtet, die Mopped stehen in Reih und Glied vorn dran und sehen alle noch so sauber aus. Kay flucht zwischenzeitlich über AQ und den seiner Meinung nach schlampigen Gabeleinbau. Eine der Bremszangen hängt lasch runter, weil die beiden Befestigungsschrauben sich rausvibriert haben. Sämtliche Notreparaturen werden durchdiskutiert - "lahmlegen, Hartholz zwischen die Beläge, hast ja noch eine Bremse", "Spanngurthaken durchfädelnund mit Tape sichern, hab' ich bei den Belägen schon mal so gemacht, als der Sicherungsstift raus ist" - dann lassen sich aber doch noch ein paar passende Schrauben auftreiben. Worauf das nächste Geläster gleich einsetzt: "Dann gibt's ja dieses Jahr doch wieder 'ne LKW-Wertung. Hast gute Chancen, Team Auinger mit dem MAN ist nicht am Start". Die AT ist schon ein Mördergerät verglichen mit den Kleinteilen, die sich schon so auf dem Platz tummeln. Und schon wieder sind meine Zweifel da, ob ich sogar mit der leichtgebauten TA hier noch richtig bin.

Meine Zweifel lassen sich zum Glück etwas eindämmen. Mit Norberts Serien-Transalp, Dirks XT600 und Ralfs DR650 sind wir als Team einigermaßen "ausgewogen" besetzt. Wo die durchkommen, traue ich mich schon auch hin. So ähnlich dürfte es Alex Kehle durch den Kopf gegangen sein. Der Berliner aus München, der mit seiner 600er XT auf eigener Achse angereist ist, findet in unserem Team seinen Platz und schon nach der ersten Tour ist der Gruppenname klar: "Heavy Metal". So viele Eisenschweine sind sonst in keiner Gruppe unterwegs.

Am Sonntag wird dann erstmal die "Renntaktik" klargemacht. Die großen Punktzahlen gibt's weit außerhalb unseres Basislagers. Kein Problem für uns. Und wenn das Wetter weiter so durchwachsen bleibt, brauchen wir eh nicht in die nebligen und feuchten Berge der Umgebung einbiegen. So starten wir am Montag zu unserer ersten Tour Richtung Donau. Ein Abstecher hinter Baile Herculane - einem Kurbad mit sehr morbidem Charme - verschafft uns die ersten 1.500 Punkte. Die Stimmung ist schon wesentlich besser als das Wetter. Das Kloster in Orsova liefert die nächsten 2.000 Zähler und der kurze Regenguß der unseren Stollen einen Eiertanz abverlangt ist vergessen.

Das Wetter bessert sich zunehmend und jetzt gehen wir auf's Ganze! Nach dem vielen Asphalt, den wir bis hierher gefahren sind, muß Schotter her. Die aufgelassene Schmalspurbahn-Strecke von der Donau nach Weidenthal wird in Angriff genommen. Zunächst einmal biegen wir aber statt nach links nach rechts ab und haben ruck-zuck eine feine Strecke gefunden. Nach einigen Kilometern wird aber klar, das hier sicher niemals eine Bahn gefahren sein kann. Die Strecke ist viel zu steil. Also umgedreht, kein Discovery gefahren und zurück zum Abzweig. Die Strecke entpuppt sich als harmloser, als ich befürchtet hatte. Zu gut waren mir Pers Übungen auf dem ehemlaigen Bahngelände in Göteborg 1997 in Erinnerung. Der saugrobe Bahnschotter ist aber hier längst verräumt und der "Rauhasphalt" der uns erwartet ist ideal zum Eingewöhnen.

Lediglich Alex hat Pech und wird daran erinnert, das dies mal eine Bahnstrecke war. Ein ca. 10 cm langer und ziemlich dicker Schwellennagel perforiert seinen Hinterreifen bis zur Felge. Der Schlauch ist innen wie außen komplett durchstochen. Nach einem halben Dutzend Flicken und einer Stunde Zeitverlust geben wir auf und beschließen einen neuen Schlauch zu montieren. Die Erkenntnis geht direkt in die weitere Renntaktik ein: neuer Schlauch rein, gelochten bestenfalls abends im Camp reparieren, wenn kurz vor Zuhause nicht mal mehr Wechsel, sondern nur noch Reifenpilot.

Waren wir nicht eigentlich nur für den Spaß hergekommen? Und jetzt doch Punktejagd? Irgendwie hält sich das während der ganzen Woche immer wieder die Waage. Mal überwiegt der Ehrgeiz noch den nächsten "ganz nahen" Punkt noch mit zunehmen, mal das Hochgefühl über die eben gefahrene Strecke, die sich weit weg von allen Punkten bewegt. So langsam beginne ich die Philosohie der EnduRoMania die Sergio auf seiner Homepage progragiert zu verstehen.

Dirk hat während der Reifenpanne den 4.000er Kontrollpunkt in Weidenthal klar gemacht und wir haben nun schon mehr Punkte, als wir uns je hätten träumen lassen. Hinter Weidenthal ist eine Querverbindung zur Donau eingezeichnet, die wir nehmen wollen um möglichst schnell in Cozla an der Jagdhütte weitere 4.000 Punkte zu sammeln. Irgendeinen Abzweig haben wir wohl wieder falsch genommen. Nach einigen Kilometern stehen wir in den Abraumhalden einer Zeche. Wenden. Die schwarzen Hände der Bergleute, die uns aus der Baracke entgegen kommen deuten alle nach links, als wir nach dem Weg fragen. Nur das dort zunächst mal kein Weg ersichtlich ist, bestenfalls ein schmaler Pfad durch's Gestrüpp. Aber wenn die alle sagen, das wäre richtig ... Kurz Gas, Hecke auf, Hecke zu und dahinter beginnt das Abenteuer. Schon nach wenigen Meter ist der schmale Weg so verrutscht, das mit den Alps nur noch Schieben geht. Die Eintöpfe nehmen eine kleine, steile und sehr lose Umfahrung mitten zwischen den Bäumen durch und dann ist diese erste Schlüsselstelle geschafft.

So toben wir quer durch den Wald und versuchen uns einigermaßen Richtung Westen zu halten, was angesichts der Streckenführung nicht ganz einfach ist. Und das GPS ist dank des dichten Blätterdachs schon lange keine Hilfe mehr. In einer sehr matschigen Kurve geht mir dann erst das Talent, dann der Weg und zuletzt auch noch die Kondition aus. Bis die bis zur Achse vergrabene Transalp geborgen ist und zusammen mit den anderen auf einem Almhof oben auf der Höhe steht vergeht locker eine dreiviertel Stunde. Wir staunen nicht schlecht. Der besagte Almhof ist nur zu Fuß - oder eben mit dem Mopped erreichbar. Alle Wege dorthin schlängeln sich z.T. Lenkerbreit zwischen den Bäumen durch. Hier kommt nicht mal der ansonsten allgegenwärtige Dacia (der gute alte Renault 12-Lizenzbau), geschweige denn ein Fuhrwerk, Traktor oder ein Geländewagen hin. Die Bäurin füllt unsere Wasservorräte und wir machen uns an den steilen Abstieg, der mit Wellen durchsetzt ist, die jeder Crosspiste zu allen Ehren gereichen würden.

Nach einer Rast oberhalb der Donau mit einer phantastischen Aussicht erfahren wir durch einen Hirten, das wir nur noch einmal um den Berg müßten (ein Weg, auf den erstmal niemand gekommen wäre) um wieder unten ins Donautal zu gelangen. Ich kann nicht umhin erstmal den Asphalt zu küssen. Das war schon sehr ordentlich für den ersten Tag und mehr braucht's für meinen Geschmack auch gar nicht zu werden.

Die Punkte in Cozla und Garnic sind schnell eingesammelt und kosten nur noch ein Perlhuhn, das sich partout nicht für eine Straßenseite entscheiden konnte, das Leben. Danach geht's via Ravensca auf die Heimreise. Fast 10 km zieht sich ein Hohlweg sanft bergan durch den Wald. Die Rinne in der Mitte ist ordentlich ausgewaschen und um keinen Preis würd ich gern darin stecken bleiben. Braucht man zum Glück auch nicht, denn die Kurven sind sauber überhöht und so fahren wir fast waagerecht Anlieger um Anlieger und steigern uns in einen regelrechten Rausch. Lediglich Dirk, der vorne den Minenhund spielt, gesteht später: "Etwas Angst hatte ich schon - da hätte ja ein Abzweig in einer Kurve sein können" :-P.

Der Kontrollpunkt in Ravensca ist nicht besetzt, so dokumentieren wir unsere Ankunft mit der Digi-Cam für alle Fälle. Erfahren aber von einem Tschechen der dort auf Besuch ist auf Englisch, daß schon jemand unterwegs sei, um uns den passenden Stempel in unser Teilnehmerformular zu setzen. Ravensca ist ingesamt - wie einige Orte der Gegend - überwiegend tschechisch besiedelt. Die tschechische Kultur und Sprache hat sich dort in den Enklaven gehalten. Nach kurzer Zeit wird dann tatsächlich der Laden noch für uns aufgesperrt und wir erhalten unsere Bestätigung. Alle anderen Punkte, die wir uns für den heutigen Rückweg noch vorgenommen hatten, können wir uns nun aber schenken. Nur noch schnell runter vom Berg, möglichst schnell auf Asphalt, um am besten noch vor der Dunkelheit wieder zurück zu sein. Die Verhältnisse auf den Straßen sind schon im Hellen exotisch genug. Pferde-, Ochsen- und Handkarren gehören zu den normalen Verkehrsteilnehmern und Beleuchtungseinrichtungen sind beim besten Willen nicht dran zu finden. Wir schaffen es trotz eines sehr ordentlichen Tempos nicht ganz und so müssen wir die letzten 15 Offroad-km zu Wittmanns Hütte im Dunkeln fahren. Gut das wir den Weg schon etwas von der Anfahrt kannten. Gegen 22:00 Uhr laufen wir ein und haben stattliche 370 km mehr auf dem Kilometerzähler als am Morgen. Davon dürften etwa 150 - 180 km Offroad gewesen sein. Uff - das sind Werte, die ich normalerweise nur getrennt angehe. 370 km Straße ok, 150 km Offroad auch ok. Aber in der Kombination schon ganz schön heftig. Aber wir sind mit satten 17.500 Punkten belohnt worden :-). Noch drei solche Tage und wir sind unschlagbar ;-).

Dennoch: für den Tag drauf nehmen wir uns erstmal etwas weniger vor. Auch weil unsere Kisten - vor allem meine - noch etwas gepflegt werden wollen. Mein Ölstand war schon in Garnic bei Null, die Schaltwelle hat's in der Schlammkuhle im Wald nach hinten gezogen, ein paar frische Reifen wären bei den Verhältnissen auch nicht zu verachten und die Bremsbeläge dürften bei den Steilabfahrten auch ordentlich gelitten haben. Den Dienstag vormittag verbringe also erstmal mit einer großen Inspektion. Norbert hilft mir beim Reifenwechseln, während die 3 anderen noch ein paar Punkte in der Umgebung sammeln. Mittags fährt dann auch Norbert noch eine Runde mit, während ich zwischenzeitlich vollständig in der rumänischen Zeitrechnung angekommen bin und erstmal Urlaub habe - bloß keine Hektik!

Tag 3 wird wieder mit der kompletten Truppe in Angriff genommen. Von Teregova starten wir nach einem Tankstopp Richtung Brebu Nou. Unsere Einladung an die AfricaTwiner Stephan und Frank (allerdings hier auf DR650 und Adventure unterwegs) die Strecke mit uns zusammen zu nehmen, stößt auf keine Gegenliebe. Na gut, dann werden sie halt überholt ;-). Zur Mittagspause treffen wir dann in Garana wieder zusammen, warten gemeinsam über eine Stunde auf die Schnitzel mit Pommes, deren Fettgehalt locker noch für einen Ölwechsel gereicht hätte. Von dort versuchen wir einen der GPS-Punkte anzusteuern. Über einen Trampelpfad geht's steil durch den Wald abwärts. Am Ende stehen wir vor einer Kante, die in einen Bach führt. Das ganze Gelände ist ordentlich sumpfig aber nur knapp 500 m weiter sieht man eine Straße. Immer noch besser, als den ganzen Steilhang zurück zu fahren. So kämpfen wir uns durch den Matsch um an der Straße angekommen festzustellen, das wir eigentlich zurückgefahren sind und nun wieder in Garana stehen :-O.

Wir lassen also GPS-Punkt GPS-Punkt sein und konzentrieren uns auf das Wintersportgebiet Seminic. Über die Almwiesen führen Pfade, die lediglich durch ein anderes Grün als die Wiesen selbst erkennbar sind bergab zum nächsten Kontrollpunkt. Eine herrliche Strecke, die für mich nur noch durch die nächste Etappe zum Buhui-See getoppt werden konnte. Über einen Waldweg, der ständig die Richtung wechselt geht es durch riesige Pfützen und schlammige Ecken. Teilweise ist besteht der Weg nur noch aus einer Grasnarbe in der Mitte, der Rest soweit man sieht ist ein Wasserloch. Kein Problem, solange man die Spur nicht wechselt. Als ich's an einer Stelle, die über die komplette Wegbreite nur noch Wasser aufweist doch tue, wird's mir dann trotz der permanenten Wasserkühlung heiß. Die Alp taucht immer tiefer ab und erst kurz vor dem Ende des "Waldsees" steigt dann doch wieder Land unter die Räder :-O.

Am Buhui-See ereilt uns dann der zweite Plattfuß. Schon wieder eine XT - dieses Mal ist Dirk an der Reihe. Dank unserer genialen Renntaktik und unserer Reifenwechselmaschine Ralf - im richtigen Leben LKW-Mechaniker und damit derlei grobe Arbeiten gewöhnt - kostet uns das gerademal 20 Minuten. Da wo ich mich quäle, scheint Ralf die Gummiwurst auf die Felge wünschen zu können :-O. Auch heute müssen wir uns unseren letzten Punkt schenken und nur noch Gas geben, um zeitig nach Hause zu kommen. Schließlich wartet noch - wie jeden Abend - ein hervorragendes drei Gänge Menü auf uns. Und natürlich auch ein ebenso guter Roter und ein noch besserer Selbstgebrannter %-P.

In der gemütlichen Runde des Abends gehen dann die Heldengeschichten des abgelaufenen Tages über den Tisch. Z.B. vom Team "AT-Support" die erst die alle 4 Maschinen getragen hat, dann AfricaTwin und Adventure im Wald geparkt hat um mit XR und 620er weiterzukommen. Schliesslich auch diese bei einbrechender Dunkelheit aufgegeben hat, um auf dem Heuwagen zusammen mit einem Liter Slivowitz zum Basislager zu gelangen ;-). Oder die Schweizer die statt Benzin Diesel erwischt hatten und dann nur die Viertakter eine Zeitlang spotzend vorwärts bewegen konnten. Geiz zahlt sich eben nicht aus ;-). Wirklich ernsthafte Vorkommnisse gibt's gottlob während der gesamten 4 Fahrtage nicht. Auch die angeknackste Rippe des ersten Tages, die ein Rumäne durch einen Überschlag beim Wheelie fabriziert hatte scheint nur so ernst zu sein, das er am 3. Tag schon wieder unterwegs ist. Auch unsere Truppe kommt weitestgehend ungeschoren davon. Lediglich ein paar lädierte Blinker und Spiegel sowie ein eingedrückter Tank bei Alex' XT sind maschinenseitig zu beklagen. Körperlich leiden zwei Haxen, ein Daumen und ein Magen etwas. Nichts, was einen ernsthaft vom Fahren abhalten könnte.

Auch ich vergesse am Donnerstag meinen Muskelkater der mir Unterarme und Oberschenkel durchzieht und mache mich mit auf den Weg Richung Muntele Mic - dem Hausberg der EnduRoMania. Ein paar kleinere Punkte auf dem Weg wollen wir noch mitnehmen, aber insgesamt ist das Tempo schon seeehr viel ruhiger als den vergangenen Tagen. Allen ist die Anstrengung deutlich anzumerken und Alex schont sich heute komplett. Immerhin hat er noch die Heimfahrt auf der XT vor und den verdrehten Fuß gerade hinter sicher. Die Turmruine sehen wir hoch oben über uns stehen, aber für heute ist für uns unerreichbar. Zwei falsche Abzweigungen ausprobiert - in einer die zu einem deftigen Hohlweg wird, an dessen Wänden die Lenker fast schleifen - und wir geben die Punktesammelei auf und fahren lieber nach Borlova zu Zacharias, der uns ein paar hervorragende Spaghetti auftischt. Auch zum Muntele Mic sparen wir uns lieber die Steilauffahrt und schwuchteln die lange Strecke, die immerhin noch Westalpenqualität hat, hinauf um dort ein paar Punkte und ganz viel Aussicht mitzunehmen. Die Passage zum Cuntu fordert uns noch einmal, aber zum Glück hilft der Transalp-Motor wenn's mal wieder extra steil - hoch wie runter - und knifflig wird. Das Ding geht einfach nicht aus und zieht einen aus der größten Sch**ße wieder raus.

Eigentlich wollten wir vom Cuntu aus wieder zurück. Nach kurzer Beratschlagung sind wir uns aber einig. Die einen wollen das was sie raufgefahren sind auf keinen Fall wieder runter und die anderen wollen nicht mehr darauf, wo sie gerade eben noch runter gekommen sind ;-). Also vergessen wir den dicken weissen Weg auf der Karte und nehmen lieber einen dünnen rot gepunkteten Wanderweg, der uns auf direktem Weg ins Tal führen soll. Blöderweise heißt "direkt" - vor allem in Rumänien - nicht immer "schnell" und so sind wir fast in Trialmanier wechselweise auf grobem Geröll oder in tiefen Rinnen unterwegs. Als wir dann endlich in Vircherova angekommen sind wollen wir eigenlich nur noch auf dem schnellsten Weg zur Hauptstraße, damit wir nicht noch nach dem Abgabeschluß der Wertungsbögen einlaufen und damit evtl. unsere ganze mühseelige Arbeit des Punktesammelns gefährden. Auch hier entsteht noch mal kurze Diskussion verbunden mit ein, zwei trial-and-errors um das "schnellste" und "kürzeste", was letzlich aber dazu führt, die etwas längere, aber schnellere Betonpiste zu wählen.

Wir sind schon fast wieder an der E70 angekommen, als aus der Betonpiste noch einmal eine Schotteretappe wird. Als dann auf der linken Spur wieder Beton sichtbar wird, entscheide ich mich als zweiter fahrend, dafür nicht Dirks Staubwolke zu folgen, sondern lieber bequem auf dem befestigten Teil der Straße rum zu schwuchteln. Erst auf den letzten Drücker sehe ich durch den Staub, das quer über die erste Betonplatte ein Eisenträger - offenbar ein Stück Leitplanke - liegt. Schnell nochmal abgebremst und zwischen der Abbruchkante von Beton zu Schotter und dem Eisenteil durch. Aber das Grauen geht weiter. Die Armierung der Betonpiste ist am Rand hochgebogen und ragt in den befestigten Teil der Fahrbahn hinein. Der erste Träger verpaßt mir noch eine Klaps auf die Endurostiefel, dem Rest kann ich noch rechtzeitig ausweichen. Das Ende der Betonpiste wird sichtbar. Schaut irgendwie nach Kante aus. Vielleicht auch noch mit Graben dahinter? Ich geh' vorsichtshalber vom Gas, aber warum wird die Kiste deutlich langsamer als ich je Gas zurückgenommen hab!? Die Kante entpuppt sich als Schalbrett und der Beton am Ende war frisch. Jetzt hat er ein hübsches Stollenmuster. Gleich von 3 Enduristen, weil auch Nobert und Ralf lieber "Straße" fahren wollten :-O. "Offroaders Revenche" sozusagen: das haben die Rumänenjetzt davon das sie Straßen bauen ;-). Nein, keine Angst, die Nummer ist mir schon ein bißchen peinlich. Die Infrastruktur des Landes ist schon seeehr sparsam, da kommt es wahrlich nicht so gut, die Bemühungen um Verbesserung - zwar unbeabsichtigt aber doch deutlich - so zu (zer-) stören.

Am Ende haben wir über 40.000 Punkte gesammelt, was für einen achtbaren 12. Platz ausreicht. Und 4 Tage puren Spaß hatten wir obendrein. Der Sieg geht nach einigen (Ver)Rechnereien an das 10-03 Team um Carlo und Luigi die Dank einer genialen Taktik und fleissigen am-Kabel-ziehen sagenhafte 79.900 Punkte zusammengefahren haben! Mehr Punkte als jemals zuvor bei einer Veranstaltung.

Was mir mit Abstand am besten gefallen hat: meine Zweifel sind weg - vollständig. Alles was wir gefahren sind, ist absolut Transalptauglich. Lediglich bei schlechterem Wetter hätten wir mit unseren Eisenhaufen völlig verwachst gehabt. So war es das, was ich am Endurofahren am meisten liebe: Die Erde ist rund und hat 40.000 km Umfang. Warum auf 10 cm Spur vor dem Reifen beharren, wenn rechts und links jeweils 20.000 km Platz ist ;-) - also: Schauen und Spur suchen, dazu knifflige Wege mit wenigen ganz derben Schlüsselstellen, durch die man nur als Team kommt. Feinstes Endurowandern eben - nicht (nur) Geschwindigkeit, sondern Genuß. Und selbst die, die etwas mehr Wettbewerbscharakter bevorzugen finden hier ihr Terrain. Eben Dualsport von allerhöchster Qualität. Oder wie Lars Ostermann, der im Siegerteam mit einer serienmässigen Transalp mitfuhr, es ausdrückte:

"Erstaunlich, wo die mir mit ihren Einzylindern noch hinterher kommen."