Eine Transalp in Alaska

Vom 15.07.- 27.08. fuhr ich mit meiner Honda Transalp, welche per Luftfracht von Frankfurt nach Vancouver geflogen wurde, etwa 10.000 km durch Kanada und Alaska.

Route: Vancouver - Prince George - Alaska Highway - Skagway - Dawson City - Fairbanks - Prudhoe Bay - Anchorage - Seward -(Fähre) - Cordova -  (Fähre) - Valdez - Denali - Kluane - Haines - Inside Passage - Vancouver.

Übernachtung überwiegend Camping, nur in Vancouver und Haines Jugendherbergen.

´Hier hast Du ein paar Spanngurte um Deine Maschine auf dem Waggon festzuzurren. Die Gleise sind etwas holprig, sieh zu daß Du sie gut befestigst´  meinte der Schaffner der Alaska railroad in Portage zu mir. Ich hatte gerade die Honda Transalp auf die flachen Waggons des Zuges von Portage nach Whittier gefahren. Zu dem im zweiten Weltkrieg aus Furcht vor japanischen Angriffen inmitten einer von wilden vergletscherten Bergen und normalerweise schlechtem Wetter geschützen eisfreien Bucht angelegten Hafen führt noch immer keine Straße, sie wird gerade gebaut. Alle Fahrzeuge müssen mit Bahnverladung eine kurze Strecke durch zwei Tunnel nach Whittier transpoertiert werden. Dort wartete die Fähre MV Bartlett des Alaska Marine Highway. Entgegen allen Befürchtungen schien die Sonne vom wolkenlosen Himmel, keine Wolke trübte den Blick auf die 26 Gletscher des Prince William Sounds. Eine beeindruckende Fahrt über die ruhigen Wasser des etwa 120km breiten Meeresarms. Die Landschaft erinnert an Norwegen, mit den vergletscherten Schweizer Bergen im Hintergrund. Vor der Kulisse der mächtigen Gletscher begleiteten Eisberge, Wale, Delfine und Seeotter die Fähre. Nach 7 stündiger Fahrt erreichten wir den kleinen Fischerort Cordova.  Auch dorthin führt keine Straße. Nur Fähren und Flugzeuge bilden die Verbindung zu Außenwelt für die 2000 Einwohner.

Ein mächtiges Donnern, gefolgt von zwei Kanonenschüssen riß mich morgens aus dem Schlaf. Nur wenige Momente später rauschte die Brandung von hohen Wellen auf die steinige Uferböschung des Copper River. Der Childs Glacier hatte wieder einen Eisberg gekalbt. Dieser Gletscher liegt am Ende der einzigen aus Cordova herausführenden Straße, welche nach 80km an  der zusammengebrochenen Million Dollar Bridge endet. Offizielle Campingmöglichkeiten gibt es in der Nähe des Gletschers keine, aber dies stellt in Alaska kein Problem dar, wildes campen ist hier die Norm. Vor den Bären, von denen es am Copper River recht viele gibt, sollte man sich jedoch in acht nehmen. Ein großer Schwarzbär spazierte nur etwa 20m von meinem Zelt entfernt durch das Unterholz. Auf der gegenüberliegenden Seite des ca. 300m breiten Copper River (vgl. Rhein) schiebt sich auf 2km Breite der 90m hohe Childs Glacier in den Fluß und wird von diesem abgetragen. Dies geschieht meist durch imposante Eisstürze, manche von der Größe eines Fußballfeldes. Dabei werden Flutwellen von bis zu 5m Höhe erzeugt, 1993 gab es sogar eine 15m hohe Flutwelle, die noch weit im Hinterland Menschen verletzte. Das ständige knacken, krachen donnern und knallen des vorrückenden Eises ist ein Schauspiel welches man sich nicht entgehen lassen sollte. Wegen der schlechten Erreichbarkeit waren selten mehr als 10 Besucher gleichzeitig am Ufer. Ein kleiner Spaziergang entlang der Straße führt zur Million Dollar Bridge. Sie wurde 1910 als Teil der Bahnverbindung zwischen dem Hafen Cordova und den Kupferminen von Kennicott erbaut. Nachdem der Bahnverkehr wegen der Schließung der Minen eingestellt worden war, baute man auf der Trasse eine Straße. Dieses Unterfangen wurde 1964 durch das schwere Karfreitagserdbeben, welches große Teile Alaskas zerstörte, beendet. Ein Träger der Brücke stürzte ein. Der Blick vom unzerstörten Teil der Brücke auf den nahegelegenen Childsglacier im Westen und den hinter dem Miles Lake liegenden immensen Miles-Glacier im Osten, dessen Eismassen sich träge  aus den den 4000m hohen Eisriesen der Wrangell Mountains hinunterziehen.

´Dieses Wetter nennen wir Valdez-Sunshine´ sagte der Rezeptionist am Campingplatz in Valdez, als ich triefendnass eine Bemerkung über den seit zwei Tagen andauernden Dauerregen machte. Von den 18 Gletschern, die laut Prospekt vom Campground aus zu sehen sein sollen, gab es keine Spur. Die Wolkenuntergrenze lag bei 50m. Inzwischen kannte ich jedes Geschäft und jede Bar der kleinen Stadt die als Ende der Alaska Ölpipeline 1989 zu trauriger Berühmtheit gelangte. Der Supertanker Exxon Valdez war im Prince William Sound auf ein Riff gelaufen und hatte weite Küstenabschnitte mit Öl verseucht. Heute ist davon, außer in einer Vitrine des interesanten Stadtmuseums, nichts mehr zu sehen. Bei schönem Wetter fahren heute die Ausflugsschiffe zum nahegelegenen, ins Meer kalbenden Columbia Glacier um die Wette. Aber die Schnee- und Regenhauptstadt Alaskas (bis zu 15m pro Winter) gab sich bedeckt.

Auch mein Versuch ins 300km östlich gelegene Geisterstädtchen McCarthy zu gelangen endete vorzeitig im Büro der Nationalparkranger von Chitina. Der Dauerregen hatte die auf einem alten Bahngleis angelegte Schotterpiste aufgeweicht. Die noch verbliebenen Schienennägel, die regelmäßig Reifen aufschlitzen, sind dadurch nicht zu sehen. Dauerregen, glitschige Piste und und Nägel, das war zuviel für mich und ich drehte um, in der Hoffnung am Denali Nationalpark besseres Wetter zu erwischen.
Der Denali Nationalpark mit seiner überwältigenden Tierwelt und dem gigantischen Mt McKinley, mit 6194m der höchste Berg Nordamerikas, übt eine ungeheure Faszination aus. Auf dem Weg zum Wonder Lake Campground einem von wenigen im Nationalpark gelegenen Campingplätzen machte sich keiner der Mitfahrer im Bus der Parkverwaltung irgendwelche Hoffnungen von der großartigen Landschaft viel zu sehen. Tiefhängende Wolken verdeckten den Blick auf die Berge der Alaska Range.  Hinter jedem Höhenzug, den der Bus auf der holprigen Schotterstraße überquerte, sah es noch trüber aus. Wir wurden durch den Anblick von Karibuherden und verschiedenen Grizzlybären in der Nähe der Straße entschädigt. Am Campground hatte der Regen aufgehört und nach einigen Stunden erschien seine Majestät, Mt McKinley für einige Minuten aus den Wolken. Obwohl fast 40km entfernt, wirken die aus einem nur 400m über NN gelegenen Tal 5800m aufragenden eisgepanzerten Bergflanken gewaltig. Alleine für diesen Anblick lohnt sich die weiteste Anreise, selbst wenn man das eigene Fahrzeug am Parkeingang zurücklassen und sich 6-7 Stunden im unkomfortablen Nationalparkbus herausschaukeln lassen muß. Ich saß stundenlang lesend und schreibend am Picknicktisch und schaute immer wieder Richtung Mt. McKinley. Der zog sich jedoch hinter eine dichte Wolkendecke zurück, während auf dem Campground die Sonne schien, der Wind abflaute und die Mosquitos aktiv wurden.

Am nächsten Tag verdeckten weiterhin dunkle Wolken die Fernsicht, wärend strahlender Sonnenschein am kleinen Campground zu Wanderungen durch die Wegelose Tundra und am Wonder Lake einlud. Dabei sollte man möglichst geräuschvoll vorgehen, damit die Grizzlybären rechtzeitig gewarnt sind.
Am Abend lösten sich die Wolken auf und die gesamten, tief vergletscherten Berggipfel der Alaska Range standen wie an einer Perlenkette aufgereiht jenseits ds weiten Tals des Muldrow River. Als weißer großer Edelstein überragte der gewaltige Mt. McKinley alles, selbst den 5040m hohen Mt. Foraker im Westen. Nach einem beeindruckenden Sonnenuntergang blieb die Spitze des Mt. McKinleys noch lange in der Sonne und bescherte ein langandauerndes Mt. McKinley-glühen.