Die Sage von König Piet dem Langen und seinen vierzig Rittern
oder: woher das Junifest der Frankenbauren stammet
Vor langer Zeit, da herrschte der König Piet der Lange, der gebat über eine wilde Heerschar von kampflustigen Rittern und berittenen Weibsbildern, die kamen auf gewaltigen Schlachtrössern daher, die waren ganz von Eisen, und die nennete man mit dem wunderlichen Namen Transalp. Anno Domini Sancto 2000, da rief der König seine Berittenen zusammen, auf daß sie ihm Zeugnis ablegten von den Heldentaten des vorangegangenen Jahres. Und er wählte als Ort der Zusammenkunft das lieblich Dörflein Etzelwang im Frankenlande, das lag in einem stillen Tale nah Hersbruck, da lebten nur fromme Bauren darin, die wußten nicht von der übrigen Welt.
Da strömten auf den Ersten im Sechsten all die Getreuen des Königs aus dem gesamten Reich zusammen: die Wilden von Hannover, die Unbeugsamen von Solingen, die Mutigen von Franken, die Schrecklichen von der Pfalz und dergleichen mehr verwegene Gestalten. Da flohen die Menschen im ganzen Tale in ihre Hütten aus Angst um ihre Habe, dieweil sie noch nie einen solch großen Haufen wüster Reiter gesehen.
Die Ritter aber waren ganz friedlich, die begrüßten einander mit Freuden, dieweil sie einander lange nicht begegnet und stunden umher und soffen Gerstensaft und maßen mit den Augen die Rösser der anderen, dieweil sie darüber disputierten, was die rechte Art sei, der Pferde Hufe zu beschlagen, wie man es bewerkstellige, Tiere mit besonders langen Vorderläufen oder über die Maßen dicken Bäuchen heranzuzüchten und dergleichen Unterhaltung mehr, die das Rittervolk so treibet, wann es unter seinesgleichen.
Am folgenden Morgen aber brach das Unheil über das Umland, da nämlich der König seine Heerschar in zwei Teile teilte, das Hersbrucker Land heimzusuchen und seiner Herrschaft hinzuzugewinnen.
Deren einer Teil stürzte sich auf die erschröcklichsten Ungeheuer des Frankenlandes, die Winkligen Kurven, die die Reiter längs der idyllischsten Wegelein immer wieder in den Hinterhalt lockten. Die Unerschrockenen jedoch machten diese Monstren ohn' Erbarmen ein um das andere nieder und fielen dabei in Schänken ein, die auf dem Wege lagen, und metzelten etlich wehrlose Apfelschorle hin.
Der and're Teil, der stürmte die umliegenden Wälder, zu schauen, welch Feind darin lauernd verborgen. Und darin scheuchten sie feige Wurzeln, widerspenst'ge Felsbrocken und garstige Steigen auf, die sie allesamt im Schweiße ihres Angesichts niederrangen dem König zum Ruhme.
Einzig die Edelfrau Sabrina von Berlin, die schloß sich von dem Kampfe aus, die legte morgens ihre Rüstung ab und kleidete sich in feines Tuch, um sich unter die fahrenden Händler zu mischen, die in diesen Tagen großen Jahrmarkt abhielten zu Frankfurt. Da johlten und pfiffen die Ritter, als sie eine der ihren in so liebreizendem Gewande erspähten. Die Edle aber bannte sie mit einem scharfen Blick und entschwand bis zum Abend, währenddessen die Knechte ihr Ross neu beschlugen.
Ins Lager zurückgekehrt, da feierten die Ritter ihre Siege und stopften sich den Wanst mit Wurst und Schinken voll, den sie den Bauren abgepreßt, und schütteten sich Bier in den Leib, daß es einen ordentlichen Rausch gebe, und als sie immer fröhlicher wurden, da prahlten sie voreinander mit ihren Heldentaten: die einen mit dem winterlichen Kreuzzug wider die Mauren, die anderen mit ihren Raubzügen durch das Reich der Wikinger und wieder andere brüsteten sich mit der Zahl der Buckligen Plastikritter, die sie im Hinterhalt verwinkelter Bergpfade niedergemacht.
Als aber der König dies Treiben gewahr wurde, da ließ er Rainer von Nüremberg kommen, seinen weisen Diaconus, der sollte sich einen Weg erdenken, auf dem man herausfinde, welcher der Heerhaufen der mutigste und stärkste sei. Der Diaconus aber war listig wie ein Fuchs, und so ersann er ein Turnier, bei dem die Ritter und Weiber sich gegeneinander messen mußten.
Und da setzte ein wahrhaft wunderlich Circus ein: anstatt auf den Rücken ihrer Rösser ritten manche auf den Buckeln der Kameraden durch das Lager, einige warfen mit scharfgezahnten Rädern nach harmlosen Holzstöcken, andere sprangen wüst über Tische und Bänke, ihre Rüstungen rissen sie sich vom Leibe und türmten deren Teile auf ihren Mitstreitern auf, daß die Armseligen als Menschen kaum mehr zu erkennen waren und mit federgefüllten Säcken droschen sie nach Herzenslust aufeinander ein, bis der Gegner am Boden lag. Da mußten sie auch dem König den Zehnt abliefern, indem sie ihr Haupt in einen Bottich voll Wasser tunkten, von Äpfeln abbissen, die darin schwammen und dem König die Stücke vor die Füße spieen.
Der Ritter Thomas von Erkrath aber, der gebärdete sich dabei dergestalt, daß er fortan nur noch Der Beisser genannt ward. Das war ein Treiben wie bei rechten Narren, den Umstehenden ein Gaudium und dem König ein Wohlgefallen.
Die Schrecklichen von der Pfalz, die machten hierinnen ihrem Namen alle Ehre und rangen die übrigen im Turniere nieder, und dafür wurden sie vom König mit einer Münzen geehrt, die war so groß als wie ein Kindskopf, war aber ganz von Katzengold gemacht. Der Ritter Carlo Horribilus indes, von den Strapazen der Kämpfe so von Sinnen, daß er Freund und Feind nicht mehr zu unterscheiden vermochte, der versuchte, den armen Diaconus mit dem Wasserbottich zu ersäufen. Es kamen aber die anderen zur Hülf, die ergriffen den Schuft und lieferten ihn an die Schwarze Herrin des Oberlands aus, die strafte ihn mit allen erdenklichen Foltern, bis er winselnd seine Missetat bereute.
Nach dem Turniere war der Haufen erst so recht aufgestachelt. Zuerst bestaunten sie alle noch die Werke des Schmiedes Hermann zu Reichengschwand, der aus eisernen Kampfrössern Streitwagen machte mit seiner Kunst, dergleichen sie alle noch nie gesehen. Hernach aber, da hielten sie ein wildes Gelage und ließen Bier fließen in Strömen und gröhlten wilde Lieder zum Gesang des Barden Florian bis zum ersten Hahnenschrei.
Inmitten der Nacht jedoch, da erschien im Lager ein gar wunderlich Prediger, der trug sein schwarzes Haar wirr und sah so recht verkommen aus und der hatte lauter unschuldige Knäblein und reine Jungfrauen in seinem Gefolge. Diesen Burschen aber brannte der Durst noch viel mehr als die Flamme der Erkenntnis, und so gesellte er sich zu den Rittern und soff wie ein Loch und gerierte sich dabei, daß die Mägdelein und Knaben ganz verderbt warden davon.
Am nächsten Tage dann, da schien die Sonne schon früh in das Lager, und da erhoben sich die Ritter und Weiber, aber ach, wie war doch manchem das Haupt so schwer vom nächtlichen Saufen. Dieweil sie aber alle echte Helden waren, so bekümmerten sie sich nicht darum und zogen auf Geheiß des Königs wiederum aus, das Hersbrucker Land heimzusuchen, wie schon am vorangegangenen Tage.
Und wieder schlugen sich viele in die Wälder, zu sehen, welch grimmen Widersacher die anderen übriggelassen. Unter denen war auch der Ritter Norbert von der Saale, das war ein ungestümer Gesell, der ritt ein fremdes Roß, das zügelte er so unbändig, daß dem Tier die Vorderläufe einknickten, und da fielen sie beide in den Staub, das Roß und der Ritter. Groß aber war die Freude der Mitstreiter, als erkennet ward, daß beide dies Ereignis unbeschadet überstanden und so kehrten sie alle heim ohne Verluste.
Ein anderer Teil indes, der ritt auf Nüremberg, die schöne Stadt sich zu besehen. Darunter war auch der Ritter Carlo Horribilus, das war ein rechter Faulpelz, der legte die Rüstung ab und ließ sich mit einer Prunkkutsche in die Stadt fahren, gleich als ob er ein wahrer Herr sei.
Ein kleiner Haufe indes, der streifte über die Handelswege, und da die Mittagsstund gekommen, da brannte ihnen die Sonne dergestalt auf die Rüstung, daß sie ganz ermattet, und da flohen sie zu einem Gasthofe im lieblichen Pegnitztale, daselbst sie sich die Wänster füllten und faulenzten bis in den Nachmittag. Hernach begaben sie sich auf Aufseß, wo alleweil ein Treffen der Ritter der Fränkischen Schweiz abgehalten wird, da war in der Schänken ein solcher Auftrieb von Reitervolk, daß kaum ein Plätzchen mehr zu finden war, die müden Glieder auszustrecken.
Zurück im Lager, da hatten einige ein garstig Biest im Walde erlegt, das brieten sie über dem Feuer und das gereichte allen zu einer feisten Mahlzeit. Und wie sie es mit Haut und Haaren vertilget, da ergriff sie der Übermut, und sie trieben Schindluder mit den Überresten.
Da nahmen sie des Untiers Schädel und stülpten ihn über eine Eiserne Kuh und höhnten der Mißgestalt, die sie dergestalt erzeuget.
Nach dem Mahle aber, da rief der König zur Audienz, und sie versammelten sich alle und beratschlagten und disputierten. Das jedoch ist eine andere Geschicht, die ward von der Edelfrau Sabrina niedergeschrieben und soll von ihr höchstselbst berichtet werden.
Hernach sodann erschien der Ritter Werner von der Ahr, der schlug sie alle mit seinen Abenteuern aus der Neuen Welt in den Bann, wann er ganz allein mit seinem Roß tief in die Terra Incognita vorgedrungen und sie bis zu ihrem südlichen Ende bereiset. Und der zeigte ihnen Bilder von Wäldern und Wüsten und Bergen ganz von Eis, die waren so fremd, daß ihnen der Atem stockte.
Indes glaubet nicht, daß all diese Mühsal dem Eifer der Helden Abbruch getan. Zur Nacht hin, da huckten sie wiederum zusammen und rangen ein Bierfaß nach dem nächsten nieder und hielten nimmermüd Gelage gleich wie nächtens zuvor.
Am folgenden Tage aber, auf den Vierten im Sechsten, da hieß der König sie Abschied nehmen voneinander, auf daß sie alle in ihre Heimat zurückkehrten, den Ruhm und Reichtum des Königs zu mehren. Und da schlugen sie das Lager ab, bepackten ihre Rösser und zerstreuten sich in alle Winde, nachdem sie einander Lebewohl gesagt, hoffend, daß der König sie recht bald wieder zu einem solchen Treffen einberufen werde. Denn wisset, das Rittervolk reitet ungern für sich allein, sondern frönet seiner Leidenschaft mit Vorzug im Kreise von Gleichgesinnten.
Und da war das Tal wieder so stille als wie zuvor. So ihr aber an einen Ort gelanget, da die Bauren bis auf den heutigen Tag am Ersten im Sechsten mit Zahnrädern werfen, auf den Buckeln ihrer Kumpanen reiten, mit Federsäcken aufeinander eindreschen und ihren Kühen Sauschädel überstülpen, dann seid gewiß: ihr habet Etzelwang gefunden, wo die denkwürdige Begebenheit sich einst zugetragen, von der wir hier berichtet.